Reformierte Verkehrssünderdatei: Neue Punkte für das Land

Flensburg/Stuttgart (dpa) - Die „Punkte in Flensburg“ werden am 1. Mai genau 40 Jahre alt. Zum runden Jahrestag müssen sich Autofahrer in Deutschland mit einer neuen Regelung für die Ahndung von Verkehrsverstößen vertraut machen.

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Vor allem Vielfahrer sollten aufpassen.

Es betrifft Millionen Autofahrer, aber auch alle, die auf Zweirädern und zu Fuß unterwegs sind: Vom 1. Mai an gilt bei Verkehrsverstößen ein neues Punktesystem. Auch der Bußgeldkatalog wurde geändert - für viele Verstöße müssen Verkehrssünder tiefer in die Tasche greifen. Doch so richtig seien die Änderungen bei vielen noch gar nicht angekommen, warnen Fachleute.

Mathias Bräuer führt eine Fahrschule in unmittelbarer Nähe zum Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Flensburg - dem Ort, an dem die „Punkte“ der Verkehrssünder zu Hause sind. Eigentlich wurde noch gar nicht genug Werbung gemacht für das neue Punktesystem, findet Bräuer. Dabei preist das Bundesverkehrsministerium die Neuerung genau 40 Jahre nach der Einführung der Punkte am 1. Mai 1974 als „einfacher, gerechter und transparenter“. Und: „Die Verkehrssicherheit wird erhöht.“ Nur noch sicherheitsgefährdende Delikte sollen gespeichert werden.

Monatelange Diskussionen gingen der Reform des damaligen Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer (CSU) voraus. Als der Bundesrat ablehnte, musste der Vermittlungsausschuss ran. Im Juli 2013 einigte man sich schließlich. Die Kritik aber ist nicht verstummt: Anfang 2014 kritisierte der Verkehrsjurist Volker Lempp vom ACE Auto Club Europa den neuen Punktekatalog als „ganz missraten“. Der ADAC hatte die Reform begrüßt, aber eine maßvolle Anpassung der Bußgeldhöhen angemahnt.

Und wie sieht es in der Praxis aus? „Alles, was neu ist, wird mit sehr viel Skepsis betrachtet“, findet Fahrlehrer Bräuer. „Und das Infomaterial ist mehr als dürftig.“ „Gelegenheitssünder“ würden nun relativ streng bestraft. Im alten Register wurden Straftaten mit fünf bis sieben Punkten und Ordnungswidrigkeiten mit ein bis vier Punkten geahndet. Ab dem 1. Mai gibt es für einen „schweren Verstoß“ einen Punkt, für einen „besonders schweren Verstoß“ oder für Straftaten ohne Entzug des Führerscheins zwei Punkte. Ist das Vergehen so gravierend, dass der Führerschein sofort eingezogen wird, sind drei Punkte fällig. Der „Lappen“ ist außerdem weg, wenn sich die Punkte auf 8 summieren - bislang waren es 18.

„Vielfahrer sind ganz klar im Hintertreffen“, findet Reinhard Hetzel von der Stuttgarter Fahrschule Lucky drive. Ein Punkt treffe den Fahrer stärker. Bei Lucky drive werden die Fahrschüler darauf vorbereitet, wo sie künftig besonders aufpassen müssen. Die Schüler müssten noch vorsichtiger fahren, sagt Hetzel - Dinge, „die jeder halt so macht“, wie etwa gefährliches Überholen, führten jetzt eher zu Strafen und höheren Bußgeldern.

Seit 1951 ist das KBA Bundesoberbehörde für den Straßenverkehr, seit 1952 in Flensburg. Neben der „Verkehrssünderdatei“, in der im Jahr 2012 neun Millionen Menschen erfasst waren, werden noch weitere Register geführt, etwa das Zentrale Fahrzeugregister. Zur Reform waren auch die mehr als 900 KBA-Mitarbeiter befragt worden. Über die Jahrzehnte ist Flensburg fast zum Synonym für die „Verkehrssünderdatei“ geworden. Der Tourismus macht es sich zunutze: Der meistverkaufte Artikel im Laden von Flensburg Fjord Tourismus heißt laut Sprecherin Anke Hilgert „Punkte aus Flensburg“ - Schokolinsen.

Die echten Punkte wurden 1974 aus einem traurigen Grund eingeführt. Mehr als 21 000 Verkehrstote habe es in einem Jahr gegeben, sagt KBA-Sprecher Stephan Immen. Das Ziel sei gewesen, den Straßenverkehr sicherer zu machen. Nun sind es weniger als 4000 Tote - sicherere Fahrzeuge und Aufklärungsarbeit leisteten einen Beitrag.