Sperrstunde im Copyshop: Chinas Autobauer mit eigenen Ideen
Shanghai (dpa/tmn) - Mit dem geistigen Eigentum nimmt man es in China nicht so genau. Bei den Autos ändert sich das: Auf der Motorshow in Shanghai jedenfalls muss man die PS-Plagiate lange suchen. Stattdessen gibt es viele gute eigene Entwürfe — aber auch ein paar echte Ausrutscher.
Original und Fälschung sind oft nur schwer zu unterscheiden. Das galt lange auch für Autos aus Fernost. Messegäste auf den Motorshows in China wunderten sich bislang amüsiert über die Anlehnungen an europäische Modelle, die den Originalen oft verblüffend nah kamen. Doch die Zeit der dreisten Plagiate im Reich der Mitte geht offenbar zu Ende.
Das jedenfalls ist der Eindruck, den Marken wie Geely, Chery, Brilliance, Haval oder Dongfeng auf der Motorshow in Shanghai (21. bis 29. April) erwecken. Was die Hersteller dort an neuen Serienmodellen und Studien zeigen, ist zwar nicht immer auf der Höhe der Zeit oder ganz nach dem globalen Geschmack. Doch es ist Eigenständigkeit angesagt: Nach Vorbildern aus dem Westen muss man bei Showcars wie dem MG CS, dem Geely KC oder dem BAIC 500 lange suchen. Gleiches gilt für neue Limousinen wie den Brilliance H330 oder den Soueast V7.
„Die Chinesen emanzipieren sich und leisten sich langsam ein eigenes Design“, sagt der Münchener Designer Gert Hildebrand. Der ehemalige Mitarbeiter bei Mini gehört zum Team der neuen China-Marke Qoros und zeigt auf der Messe drei Modelle aus seiner Feder.
Während die Autos zunehmend eigene Gesichter mit protzigen Kühlegrills und großen Markenlogos bekommen, stammen ihre Schöpfer indes immer öfter aus Europa. Beim Hersteller Chery hat jetzt ein ehemaliger Opel-Designer das Sagen. Die beiden Messestudien Alpha 7 und Beta 5 stammen aus dem Skizzenblock eines abgeworbenen Porsche-Mitarbeiters. Und es gibt kaum ein italienisches Designstudio, das keine Dependance in China hat. Auch der Industriedienstleister Icon hat europäische Wurzeln. Das erklärt, weshalb die in China entworfene Sportwagenstudie Vulcano glatt als Ferrari durchgehen könnte.
Die chinesischen Hersteller haben aufgrund ihres heimischen Marktanteils von mehr als 40 Prozent eine gehörige Portion Selbstvertrauen. Dazu kommen üppige Entwicklungsbudgets und kompetente Neuzugänge in den Designbüros. Das sorgt auf der Messe für so manchen Achtungserfolg: Die vor Jahren aufgekauften Marken MG und Rover alias Roewe haben mittlerweile eine ansehnliche Modellpalette. Und der Flügeltürer von BAIC könnte auch als Forschungsfahrzeug von Mercedes durchgehen.
Die neue Eigenständigkeit ist auch bei den Geländewagen zu beobachten: Autos wie der Brilliance C51X oder der Leopard C5 müssen sich optisch nicht hinter BMW X1, Mazda CX-5 oder Honda CRV verstecken. Und selbst futuristische Studien wie der @Ant 2.0 für den teilautonomen Verkehr in den Großstädten von Übermorgen sehen nicht weniger abgefahren aus als die entsprechenden Vorschläge von Opel und VW namens RAK-e und Nils. Ein dreistes Plagiat wie die Cayenne-Kopie bei Hawtai, oder auch die plumpe SUV-Studie CS95 von Changan und der schrille Roadster Volare von Tongji-Auto sind deshalb kaum mehr als Ausrutscher.
Technisch holen die chinesischen Hersteller ebenfalls auf. Moderne Triebwerke oder saubere Antriebsalternativen stehen nicht mehr nur auf dem Papier: Mittlerweile lassen sich bei den Messefahrzeugen die Motorhauben öffnen, und man kann tatsächlich auf Turbo-Direkteinspritzer oder Hybridkombinationen schauen. Noch nicht ermittelt ist, wie sich die neuen Autos in einem Crashtest schlagen würden.
Auch das Elektroauto ist in China weiter ein großes Thema — selbst wenn die Fachwelt nicht mehr an die kurzfristige Zielvorgabe von fünf Prozent Marktanteil glaubt. Jede Marke hat ein E-Auto am Stand. Viele westliche Unternehmen haben eigene Joint Ventures gegründet, um E-Fahrzeuge auf die Straße zu bekommen - denn durch öffentliche Förderung wird in China ein Kaufanreiz geschaffen.
Eine dieser Kooperationen ist Denza - eine Marke von Build Your Dreams und Daimler. Neben dem von Nissan und Dongfeng gezeigten Venucia Viwa ist das Modell Denza das vielleicht attraktivste E-Mobil in Shanghai. Zumindest Daimlers neuer China-Chef Hubertus Troska verspricht, dass der Denza das beste und schnellste Elektroauto auf dem chinesischen Markt werde. Davon wird man außerhalb Chinas jedoch so schnell nichts mitbekommen. „An den Export denken wir erst einmal nicht“, sagt Denza-Chef Arno Röhringer.
Ähnlich verhält es sich bei den meisten konventionellen Marken und Modellen auf der Messe: „Wir konzentrieren und erst einmal auf unseren Heimatmarkt, damit haben wir genug zu tun“, so ein Haval-Manager neben dem Geländewagen H7. Auf den ersten Blick könnte das SUV mit der bulligen Front und der nach hinten abfallenden Dachlinie auch Kunden in Deutschland gefallen.
Der mangelnde Exportwille liegt womöglich nicht nur an der großen Nachfrage im eigenen Land. Auch die Qualität spielt eine Rolle. Das gelte vor allem für die einträgliche Oberklasse, sagt ein chinesischer Politikberater und Autozulieferer - mit Blick zum Beispiel auf das Prestige-Modell „Rote Fahne“. Der Unternehmer glaubt kaum, dass es die chinesische Luxuslimousine bald mit Audi A8, BMW 7er oder Mercedes S-Klasse aufnehmen kann. „Bis wir soweit sind, wird es wohl noch ein paar Jahrzehnte dauern.“