Fahrbericht Golf ist auch nur ein Sport: Der Kia Ceed im Autotest
Berlin (dpa-infocom) - Als Kia vor zwölf Jahren den ersten Ceed auf den Markt gebracht hat, waren die Koreaner noch ein Nobody aus dem fernen Osten. Doch entwickelt, designt und gebaut in Europa, hat der Kompakte das Image der Hersteller gründlich verändert und sie in die Mitte des Marktes geführt.
Dort wollen sie sich nun mit der dritten Auflage des Fünftürers noch breiter aufstellen und dem Branchenprimus VW Golf zumindest ein wenig von seinem Glanz stehlen.
Konservatives Design
Wo andere Hersteller bei jedem Generationswechsel gerne ein bisschen mutiger und munterer werden, sind die Koreaner diesmal etwas zurück gerudert. Wenn der dritte Ceed im Juli zu Preisen ab 15.990 Euro in den Handel kommt, sieht er deshalb etwas konservativer und klassischer aus als früher. Schließlich ist das Vorbild aus Wolfsburg auch nicht gerade ein Aufreger.
Dabei haben sie jedes Blechteil angefasst. Zwar misst der Ceed unverändert 4,31 Meter, hat aber mehr Radstand, vorne einen kürzeren und hinten einen längeren Überhang. Das verbessert die Proportionen und zugleich die Platzverhältnisse: Vor allem in der zweiten Reihe sitzt man jetzt besser und der Kofferraum wächst um 15 auf 395 Liter. Legt man die Rückbank um, kann man hinter der großen Klappe mit der niedrigen Ladekante bis zu 1291 Liter verstauen.
Ruhe und Komfort im Innenraum
Auch innen pflegen die Koreaner eine ruhige Linie und verkneifen sich große Spielereien. Der Bildschirm für die Online-Navigation mit 3D-Karten thront halbwegs freistehend über dem Armaturenbrett. Es gibt schmucke Schalter mit integrierten Digitalanzeigen, wie man sie sonst nur von Audi kennt, und wo man den Ceed anfasst, fühlt er sich gut an.
Zwar fehlen zum Beispiel digitale Instrumente. Aber dafür hilft eine umfangreiche Komfortausstattung. Nicht umsonst ist bei den Koreanern neben dem Lenkrad nun auch die Frontscheibe beheizbar, die Vordersitze sind klimatisiert und die hinteren lassen sich zumindest erwärmen.
Automatisch durch den Stau
Besonders stolz ist Kia aber auf die neuen Assistenzsysteme. Nicht umsonst ist der Ceed der erste Kia für Europa, bei dem die Elektronik nicht nur Tempo und Abstand regelt, sondern auch die Spur hält. Der Fahrer greift damit auf der Autobahn bis 130 km/h nur noch pro forma ins Lenkrad. Außerdem überwacht der Ceed den Querverkehr beim Rangieren und bremst im Notfall automatisch.
Technologiesprung unter der Haube
Auch die Motoren machen einen Technologie-Sprung: Für die Benziner gibt es jetzt serienmäßig Partikelfilter und der neue Diesel hat einen SCR-Katalysator. Später wird es für den Fronttriebler mit Sechsgang-Handschaltung oder siebenstufiger Doppelkupplungsgetriebe neben einem Sportmodell mit etwa 147 kW/200 PS sogar einen Mild-Hybrid mit elektrischem Startergenerator geben.
Bis dahin hat man die Wahl zwischen drei Benzinern von 74 kWh/100 PS bis 103 kW/140 PS und einem Diesel, der mit 85 kW/115 PS oder 115 kW/136 PS zu haben ist. So kommt der Ceed auf Verbrauchswerte zwischen 4,0 Litern Diesel und 6,4 Litern Benzin (CO2-Ausstoß 104-145 g/km) und selbst der schwächste Motor erreicht 183 km/h.
Aus Freude am Ankommen
So unaufgeregt, wie der Ceed aussieht, so fährt er allerdings auch - selbst das vorläufige Topmodell ist kein Pulsbeschleuniger. Nicht dass 242 Nm, ein Sprintwert von bestenfalls 8,9 Sekunden oder 210 km/h Spitze wirklich schlecht wären. Und das laute Knurren vieler anderen Modelle vermisst man in dem gut gedämmten Kia ganz sicher nicht. Aber das Fahrwerk ist zu beliebig und die Lenkung zu gefühllos, als dass damit ernsthafte Fahrfreude aufkommen würde.
Selbst wenn man jetzt zwei Zentimeter näher an der Fahrbahn sitzt und der ehemalige Chefentwickler der BMW M GmbH die Abstimmung verantwortet. In diesem Auto geht es uns Ankommen und nicht um den Weg als Ziel.
Fazit: Es ist nicht alles Golf, was glänzt
Über Jahrzehnte war der Golf der Maßstab in der Kompaktklasse. Bei den Zulassungszahlen gilt das auch weiterhin. Doch was die Substanz angeht, ist der Primus nicht mehr unnahbar. Mit dem unaufgeregten Design, der gehobenen Ausstattung und der soliden Technik des Ceed beweisen die Koreaner, dass nicht alles Golf ist was glänzt.
Allerdings eifern sie dem Bestseller auch in einer Disziplin nach, bei der die Kunden den Unterschied durchaus zu schätzen wüssten. Mit seinen 15.990 Euro Grundpreis ist er zwar deutlich billiger als das Original und die sieben Jahre Garantie sind ohnehin unerreicht. Aber wer in der Modellpalette bis nach ganz oben klettert, der zahlt dann schon 34.690 Euro und muss lernen, dass Golf-Spielen vielleicht doch noch immer eine elitäre Sportart ist.
Datenblatt: Kia Ceed 1.4 T-GDI
Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke