Mercedes ML 63 AMG: Bulldozer auf der Überholspur
Berlin (dpa-infocom) - Dass ein SUV nicht schwerfällig sein muss, zeigen die Entwickler von AMG. Der neue ML 63 AMG ist Offroader und Sportler. Das macht ihn zum stärksten Geländewagen auf dem deutschen Markt und zu einem Verführer der Unvernunft.
Geht es nach den Entwicklern von AMG, taugen die Geländegänger sogar zum Sportwagen. Nicht umsonst hat der Mercedes-Werkstuner vor fast 15 Jahren als erster einen Geländewagen nachgeschärft und damit einen Trend gesetzt. Jetzt bringen die Schwaben zu Preisen ab 108 885 Euro die dritte Auflage des ML 63 AMG an den Start und setzen sich damit wieder an die Spitze: Mit dem optionalen AMG Performance Package steigt die Leistung des Stuttgarter Kraftpakets auf 410 kW/557 PS.
Mit der Kraft von acht Zylindern
Unter der Haube steckt der 5,5 Liter große V8-Direkteinspritzer, den AMG mittlerweile in fast allen Modellen einbaut. Zwei Turbolader sorgen schon bei der Grundversion für 386 kW/525 PS und ermöglichen mit einer neuen Elektronik den weiteren Leistungssprung. Damit wird selbst ein ausgewachsener Zweitonner für den Motor zum Leichtgewicht. Gemessen am Mercedes SLS ist die M-Klasse zwar nicht gerade windschnittig, kommt aber schnell und leichtfüßig daher. Bei 760 Newtonmeter Drehmoment kann keine Rede mehr von Trägheit der Masse sein: Mühelos sprintet der ML 63 in 4,7 Sekunden auf Tempo 100, überholt den Vordermann im Fluge und hat noch deutlich Luft, wenn ihm die Elektronik bei 250 km/h den Hahn zudreht.
Hohe Leistung und großer Durst
Der Preis für dieses Vergnügen wird an der Tankstelle gezahlt. Wie die meisten Sportmodelle hat auch der ML 63 ordentlich Durst. Zwar hat der ML beim Verbrauch einen großen Sprung gemacht: Direkteinspritzung, Aufladung und die für einen AMG noch immer etwas gewöhnungsbedürftige Start-Stopp-Automatik drücken den Normwert auf dem Prüfstand um 28 Prozent auf 11,8 Liter. Das entspricht einem CO2-Ausstoß von 276 g/km. Doch dafür wäre eine nahezu asketische Selbstbeherrschung des Fahrers nötig. Fehlt diese und auch die sittliche Reife, schluckt der Werkstuner durchaus 15 bis 20 Liter auf 100 Kilometer vom Super Plus.
Nicht provozieren und die Extreme gut verstecken - das gilt nicht nur für den Durst, sondern auch für das Design. Natürlich hat AMG die Optik ein wenig retuschiert. Die M-Klasse aus Affalterbach sieht deshalb etwas bulliger aus und steht breiter auf der Straße. Doch selbst mit dem Performance-Packet wirkt sie vergleichsweise brav und lässt damit viel Spielraum für Fahrzeugtuner wie Brabus und andere. Auch innen ist der ML 63 AMG weit entfernt von einem Sportwagen: Das Lenkrad ist etwas dicker aufgepolstert, es gibt neue Armaturen mit modifizierten Skalen und ein paar zusätzlichen Funktionen im Bordcomputer, und die Sitze bieten etwas mehr Seitenhalt. Aber auch im AMG-Trimm bleibt die M-Klasse ein Luxuskombi mit Allradantrieb und erhöhter Bodenfreiheit, der vor allem auf Langstrecken zu Hause ist - nur dass man die jetzt etwas schneller abspult.
Dampfwalze mit dem Komfort einer Luxuslimousine
Entsprechend komfortabel ist die Grundstellung des Fahrwerks gewählt. Allerdings kann man die Dämpfer und die Luftfederung auf Knopfdruck variieren und dann einen sehr viel heißeren Reifen fahren. Während die Gänge jetzt noch schneller wechseln, das vorher nur dumpfe Grollen zu einem wütenden Brüllen anschwillt, wirkt die Lenkung so scharf und präzise, dass die automatische Wankstabilisierung ordentlich zu tun bekommt. Noch mehr Arbeit hat allerdings die Bremse. Aber zum Glück hat sie genügend Biss, um das Dickschiff im Ernstfall zu ankern.
Fazit: Der Reiz der Unvernunft
Ein Geländewagen, den diesseits von Sahara und Stilfser Joch eigentlich niemand braucht, und ein Motor, der mehr Leistung hat als Moral - viel überflüssiger als der Mercedes ML 63 AMG kann ein Auto kaum sein. Doch wer seine Entscheidung mit dem Bauch statt dem Kopf trifft, der erliegt leicht dem Reiz der Unvernunft. Und wer einmal Herr über solch einen Kraftakt war und mit einer kleinen Fußbewegung eine Lawine aus Blech und Stahl entfesseln kann, der will die Macht über den Motor nicht mehr missen.