Fahrbericht Nissan Leaf im Test: Der Anfang vom Alltag
Berlin (dpa-infocom) - Elon Musk und seine Tesla mögen mehr Fans haben. Doch das meistverkaufte Elektroauto der Welt kommt nicht aus Kalifornien, sondern aus Japan. Denn knapp 400 000 Exemplare in gut sieben Jahren machen den Nissan Leaf zum Star unter den Stromern.
Wenn die Japaner nun zu Preisen ab 31 950 Euro die zweite Generation an den Start bringen, sägen sie weiter am Thron von Tesla. Denn mit besseren Fahrleistungen und größerer Batterie wollen sie beweisen, dass man für ein alltagstaugliches Elektroauto anders als bei Elon Musk kein Vermögen ausgeben muss.
Auf den Akku kommt es an
Das wichtigste Element dieser Strategie ist der neue Akku. Der hat zwar das gleiche Format wie bisher und braucht deshalb nicht mehr Platz. Doch die Kapazität haben die Japaner durch eine optimierte Zellstruktur um zwei Drittel auf 40 kWh gesteigert. Wer bis zu 16 Stunden Geduld an der Steckdose hat, kann damit laut Normzyklus immerhin 378 Kilometer fahren - und das ist noch nicht einmal der XXL-Akku, mit dem Nissan die Reichweite gegen einen gewisse Aufpreis künftig sogar auf rund 500 Kilometer erhöhen will.
Aber der Akku bietet nicht nur mehr Kapazität, er kann auch schneller geladen werden. Denn erstmals bietet Nissan einen so genannten Typ2-Stecker und einen stärkeren Onboard-Charger, mit dem man die Ladezeit signifikant verkürzen kann. 80 Prozent des Akkus lassen sich so im besten Fall in 40 Minuten befüllen.
Mehr Power für mehr Fahrspaß
Zum besseren Akku gibt es einen stärkeren Motor: Die Leistung der E-Maschine wurde um 38 Prozent auf 150 PS gesteigert und das maximale Drehmoment um 26 Prozent auf 320 Newtonmeter angehoben. Das reicht, um bisweilen sogar die Gummis auf den schmalen 17-Zöllern quietschen zu lassen. Das Ergebnis ist ein deutlich besseres Fahrverhalten. In der Stadt sind Elektroautos mit ihrem sofort abrufbaren Drehmoment ohnehin die ungekrönten Könige des Ampelspurts.
Aber jetzt hört der Spaß hinter dem Ortsschild nicht gleich wieder auf. Zwar dauert der Sprint von 0 auf 100 km/h trotzdem noch eine kleine Ewigkeit, weil es oben heraus ein bisschen zäh wird. Und bei 144 km/h drehen die Japaner dem Leaf mit Rücksicht auf die Reichweite den Saft ab. Doch wo der Stromer bislang eine Spaßbremse war, schwimmt er jetzt auf der Landstraße und der Stadtautobahn locker mit. Nur die Langstrecke ohne Tempolimit ist für ein Auto wie den Leaf einfach nix. Wer das elektrisch erledigen will, muss fürs erste wohl weiter Tesla fahren.
Ein Pedal reicht
Mindestens genauso wichtig für das neue Fahrverhalten des Leaf ist das so genannte E-Pedal. Auf Knopfdruck aktiviert, wird der E-Motor zum Generator, sobald man den Fuß vom Gas nimmt. Dann verzögert er das Auto so stark, dass man die normale Bremse kaum mehr braucht.
An dieses One-Pedal-Feeling hat man sich so schnell gewöhnt, dass man um so überraschter ist, wenn das e-Pedal nach dem nächsten Anlassen wieder deaktiviert bleibt und man plötzlich kräftig in die Eisen steigen muss, um den Leaf einzubremsen. Ein bisschen Nervenkitzel muss offenbar selbst nach dem Ende der Reichweitenangst bleiben.
Intelligenter Vorreiter unter den Kompakten
Zwar ist der Leaf mit seinem alltagstauglichen Akku schon Vorreiter genug. Doch wollen die Japaner auch in anderen Disziplinen Flagge zeigen und rüsten ihren Stromer mit vielen neuen Assistenzsystemen auf.
Der ganze Stolz sind der ProPilot für das nahezu autonome Fahren auf der Autobahn, wie man es bislang vor allem aus der Oberklasse kennt sowie der ParkPilot. Er nimmt der Kurbelei in engen Lücken den Schrecken und bugsiert den Wagen auf den Stellplatz, während der Fahrer zur Kontrolle nur noch einen Knopf drückt.
Patzer bei der Pflicht
Die Reichweite erhöht, die Fahrleistungen verbessert und beim Preis Maß gehalten - so wird der Nissan in der zweiten Generation nicht nur wegen seines gefälligeren Designs zu einem beinahe alltäglichen Auto. Aber genau deshalb muss er sich auch mit alltäglichen Maßstäben messen lassen - und sieht dabei in einigen Disziplinen nicht ganz so gut aus.
Denn abgesehen vom hübsch futuristischen Cockpit ist die Materialauswahl eher mäßig, der Fußraum in der ersten Reihe ist so voll mit Batterie, dass man manchmal nicht weiß, wohin mit den Füßen. Und der Kofferraum ist zwar mit seinen 435 Litern geräumig, leidet aber unter einer relativ hohen Ladekante.
Fazit: Das Ende der Exotik
Ja, es gibt Elektrofahrzeuge mit größerer Reichweite. Aber die sind entweder wie die Modelle von Tesla nicht bezahlbar oder wie der Opel Ampera E nicht lieferbar. Doch mit seinen knapp 400 Kilometern Reichweite für etwas mehr als 30 000 Euro wird der Leaf zu einem relativ bezahlbaren und alltagstauglichen Elektroauto und läutet damit gar vollends das Ende der Exotik ein.
Datenblatt: Nissan Leaf
Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke