Verkehrsgerichtstag-Präsident fordert Pkw-Maut für alle

Goslar (dpa) - Deutschlands marode Straßen könnten mit einem neuen Maut-System saniert werden: Dafür hat sich der Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstags (VGT), Kay Nehm, stark gemacht. Er schlug eine Maut für alle Fahrer vor, die von der zurückgelegten Strecke abhängig sein soll.

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Außerdem plädierte er dafür, die Maut-Daten zur Verbrechensbekämpfung zu nutzen. Fachleute befassen sich im niedersächsischen Goslar bis zu diesem Freitag mit aktuellen Fragen des Straßenverkehrs.

STRECKENBEZOGENE MAUT:

Eine Pkw-Maut wäre nach Ansicht von Nehm „in jedem Fall gerecht, wenn dadurch Vielfahrer stärker zur Kasse gebeten werden“ als zum Beispiel „Rentner mit einer jährlichen Fahrleistung von 5000 Kilometern“. Das sagte Nehm in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Er bekräftigte seine Forderung nach einer streckengebundenen Maut für alle Autofahrer am Donnerstag in seiner Rede zur offiziellen Eröffnung des Verkehrsgerichtstags.

Offen blieb, auf welchen Straßen eine solche Maut gelten sollte. Die aktuellen Maut-Pläne der Bundesregierung sei eine „Verschwendung ministerieller Arbeits- und Gestaltungskraft“, so Nehm. „Jeder weiß, dass das zu erwartende Aufkommen nicht annähernd ausreichen wird, um die seit Jahren verschleppte Instandhaltung und den Bau neuer Straßen und Brücken zu finanzieren.“ Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat einen Gesetzentwurf für eine Pkw-Maut auf den Weg gebracht, die inländische Fahrer unter dem Strich nicht belasten und dennoch europarechtskonform sein soll.

Der ADAC sprach sich gegen eine allgemeine Autofahrer-Maut aus. Auch Dobrindts Versuch, auf Umwegen eine Maut nur für ausländische Fahrer durchzusetzen, sieht der Verkehrsclub kritisch. Es sei zu befürchten, dass Brüssel zwar der allgemeinen Maut zustimme, das ergänzende Gesetz zur Entlastung der deutschen Autofahrer durch eine Absenkung der Kfz-Steuer aber kippe, sagte ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker. „Dann wäre in Deutschland eine Maut eingeführt, die entgegen aller Aussagen auch die deutschen Autofahrer belastet.“

MAUT-DATEN ZUR AUFKLÄRUNG VON STRAFTATEN:

Die an Autobahnen von Lastwagen erhobenen Maut-Daten seien sogar zur Aufklärung schwerster Verbrechen wie Mord und Totschlag tabu, kritisierte Nehm, der früher Generalbundesanwalt war. Er plädierte dafür, die Daten zur Verbrechensbekämpfung nutzen zu dürfen.

Als einen Fall, in dem dies hilfreich gewesen wäre, nannte er die Fahndung nach dem Autobahnschützen, der zwischen 2008 und 2013 Hunderte Male auf Lastwagen geschossen hatte. Statt „dem lebensgefährlichen Spuk durch Auswertung der Maut-Daten ein rasches Ende“ zu bereiten, habe das Bundeskriminalamt „Methoden der Steinzeit“ anwenden müssen. Die Beamten hätten schließlich an Autobahnen die Fahrzeugkennzeichen selbst erfasst und mit den Tatzeiten abgeglichen.

Widerspruch erntete Nehm von Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius. Datenschutz sei in Deutschland ein hohes Gut, sagte der SPD-Politiker. Die Nutzung der Maut-Daten zu anderen Zwecken sei gesetzlich ausgeschlossen. Daran habe man sich zu halten. Auch der ADAC trat Nehms Auffassung entgegen. „Die Erhebung der Maut-Daten für andere Zwecke ist unzulässig“, sagte ADAC-Vize Becker.

ZAHL DER VERKEHRSTOTEN:

Es müsse mehr für die Verkehrssicherheit getan werden, verlangte der Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Alexander Erdland. Das von Autoherstellern, Verkehrsclubs und Versicherern gemeinsam gesetzte Ziel, die Zahl der Verkehrstoten bis 2020 auf 2000 zu senken, sei weit entfernt. So seien nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes 2014 wie in den Vorjahren erneut rund 3300 Menschen im Straßenverkehr gestorben.

Es gelte jetzt ausnahmsweise einmal „mehr Tempo zu machen“, und zwar für mehr Verkehrssicherheit, sagte Erdland. Handlungsbedarf gebe es vor allem bei Landstraßen, wo rund 60 Prozent aller Verkehrstoten zu beklagen seien. Der GDV-Präsident appellierte an die verantwortlichen Politiker, mehr Geld für den Bau von Schutzplanken vor Bäumen aufzuwenden und „die Bereitschaft, Geschwindigkeitsbegrenzungen oder Überholverbote anzuordnen“.

WEITERE THEMEN:

Auch mit der abschnittsbezogenen Tempo-Überwachung - der sogenannten Section Control - befassten sich die Experten. Dabei sollen die Geschwindigkeiten nicht nur an einem einzelnen Punkt, sondern über eine längere Strecke ermittelt werden. Die Arbeitskreise des Kongresses befassen sich außerdem mit dem automatisierten Fahren, dem Führerschein-Tourismus, der Promille-Grenze für Radfahrer, dem „Unfallrisiko Landstraße“ und den Gefahren, die vom Smartphone-Gebrauch beim Autofahren ausgehen.

Fast 2000 Fachleute aus Ministerien, Behörden, Verbänden, Gerichten und Verkehrsclubs erörtern beim Verkehrsgerichtstag aktuelle Fragen des Straßenverkehrs.