Wenn das Auto mitdenkt: Neuartige Assistenzsysteme

Berlin (dpa/tmn) - Die Spur halten, den Abstand regulieren und Verkehrszeichen erkennen: In modernen Autos übernehmen elektronische Helfer viele Aufgaben. Kombiniert man die Assistenten von heute mit Robotertechnik von morgen, kommt dabei etwa ein Autopilot für Baustellen heraus.

Autobahnbaustellen zu durchfahren, bedeutet für die meisten Menschen Stress pur: In den Engstellen kommen sich Autos und Lastwagen gefährlich nah. Jederzeit muss man damit rechnen, dass ein Wagen auf der Nebenspur plötzlich einen Schlenker macht, oder dass der Vorausfahrende überraschend auf die Bremse tritt. In dieser Situation wünschen sich viele Autofahrer einen Co-Piloten, der das Steuer übernimmt, bis die Bahn wieder frei ist. In einem Forschungsfahrzeug des Continental-Konzerns steckt ein solcher Helfer: Der elektronische Assistent manövriert den Wagen souverän durch jedes Nadelöhr.

Der „Baustellenspezialist“ ist eines von sieben Ergebnissen des EU-Forschungsprojekts HAVEit für hochautomatisiertes Fahren und somit blechgewordene Science-Fiction von Experten aus Industrie und Wissenschaft. „Ziel des Projektes war es, nicht abzuheben, sondern Ideen zu entwickeln, die in der Realität umsetzbar sind und auch in absehbarer Zeit auf die Straße gebracht werden können“, betont Projektkoordinator Reiner Höger. Insgesamt besteht die HAVEit-Flotte aus vier Personenwagen - allesamt aufgerüstete VW Passat - sowie zwei Lkw und einem Bus von Volvo.

Mit den Testfahrzeugen veranschaulichten die Mitarbeiter des EU-Projekts auf der Teststrecke Hällered nahe der schwedischen Stadt Borås, welches Potenzial Sicherheits- und Assistenzsysteme von morgen haben.

So nutzt der Baustellen-Autopilot nach Angaben von Continental Kameras, Sensoren, Radargeräte und Rechner, die bereits serienmäßig in Fahrzeugen eingebaut werden oder so gut wie marktreif sind. Diese Komponenten wurden so kombiniert, dass sie die oft verwirrenden oder sogar widersprüchlichen Fahrbahnmarkierungen in Baustellen lesen und richtig deuten können. Außerdem garantieren sie während der automatischen Fahrt einen Sicherheitsabstand zum Vordermann und passen auf, dass andere Fahrzeuge nicht versehentlich rechts überholt werden. Droht ein Crash, leitet das System eine Notbremsung ein.

Ähnlich praktisch könnte eines Tages ein Assistent aus dem Forschungsauto FasCar II des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sein: Er übernimmt das Überholen. Mit einem kleinen Lenkimpuls signalisiert der Fahrer dem Auto, dass er überholen möchte, erklärt Birgit Pattberg vom DLR. Den Rest erledigt der Wagen: Er prüft, ob Verkehrssituation und Strecke ein gefahrloses Vorbeifahren ermöglichen, schert aus und spätestens dann wieder ein, wenn der Fahrer zurück auf seine Fahrspur will. Bei diesem und den drei anderen Projekt-Pkw mit Autopilot-Funktionen sei entscheidend, „dass die Verantwortung beim Fahrer bleibt“, erläutert Pattberg.

Wer am Steuer sitzt, kann jederzeit selbst bestimmen, welche Aufgaben er dem Auto in welchen Situationen übertragen möchte. Überlässt der Fahrer dem Wagen das Gasgeben, Bremsen und Lenken vollständig, heißt das nicht, dass er sich schlafen legen kann: Eine Kamera beobachtet ihn. Wirkt er abgelenkt, fordert ihn das Auto auf, den Automatikmodus abzuschalten und selber weiterzufahren.

In ständigem Kontakt zum Menschen hinter dem Lenkrad steht der „Active Green Driving“-Testbus, mit dem Volvo die Ökobilanz im Personenverkehr verbessern will. Das Hybridfahrzeug erzieht den Busfahrer zu einer vorausschauenden und effizienten Fahrweise: Drückt dieser beispielsweise unnötig fest „auf die Tube“, leistet ein aktives Gaspedal Widerstand. Dank Sensoren, digitaler Karten und GPS-Daten kennt der Bus das Fahrzeugumfeld ganz genau. Diese Informationen helfen nicht nur bei der Analyse des Fahrstils, sondern dienen gleichzeitig zur Optimierung der Motorsteuerung. „Ein Diesel-Hybridantrieb allein ermöglicht bei einem Bus bis zu 30 Prozent Spritersparnis. Durch die „Active-Green-Driving“-Technik sind weitere 6 bis 8 Prozent möglich“, erläutert Achim Beutner von Volvo.

Die beiden anderen Schwergewichte in der Projektflotte sind mit innovativen Systemen zur Verbesserung der Sicherheit und des Fahrkomforts ausgestattet. Im „Brake-by-Wire“-Lastwagen wird der Bremsimpuls durch elektrische Leitungen vom Pedal an die Bremse übermittelt. Stellmotoren sorgen dann für eine optimale Verzögerung. Laut Hersteller Haldex kann die elektromechanische Bremse den Bremsweg im Vergleich zu einem Hydrauliksystem mit weniger Energieaufwand um bis zu 15 Prozent verkürzen. Der zweite Truck in der Flotte kommt ganz allein mit Stop-and-Go-Verkehr zurecht.

„Durch die stark ansteigende Verkehrsdichte, die weiter zunehmende Informationsflut, der der Fahrer ausgesetzt ist, sowie das steigende Durchschnittsalter der Bevölkerung wird die Zukunft der Mobilität von hochautomatisierten Fahrzeugen geprägt sein“, ist Projektkoordinator Höger überzeugt. Von der Robotertechnik profitieren Mensch und Natur, sagt er: „Denn Fahrer werden entlastet und gleichzeitig effizienter und umweltschonender durch den Verkehr gelotst.“