Zu dichtes Auffahren: Fünf Kardinalfehler der Autofahrer

Berlin (dpa/tmn) - Wenn man einmal drin ist, kommt man so schnell nicht mehr raus - und kaum noch voran. Staus sind weder Gott gegeben, noch treten sie grundlos auf. Doch viele sind sich ihres Einflusses auf den Verkehr nicht bewusst.

Foto: dpa

„Autofahrer denken nur nach vorne“, sagt Michael Schreckenberg von der Uni Duisburg-Essen. „Wer hinter sich einen Stau auslöst, bekommt das ja nicht mit“, sagt der Professor für die Physik von Transport und Verkehr.

Staus, so Schreckenberg, entwickeln sich fast immer aus zähfließendem Verkehr, wenn Geschwindigkeitsunterschiede entstehen. „Am besten, man bewegt sich wie in einem Fischschwarm“, rät Schreckenberg. Das lässt sich leider nicht immer umsetzen, und der einzelne Autofahrer kann einen Stau nicht auflösen. Wer aber dicke Fehler vermeidet, minimiert die Wahrscheinlichkeit, der Auslöser dafür zu sein:

Zu dichtes Auffahren: Kaum irgendwo kochen die Emotionen so schnell hoch wie im Straßenverkehr. „Autofahrer fühlen sich schnell benachteiligt und sind ständig damit beschäftigt, sich gegen andere zu wehren“, sagt Schreckenberg.

Als Konsequenz halten sie oft zu wenig Abstand zum Vordermann, „damit niemand dazwischen wechseln kann“, wie er sagt. Dadurch verkleinert man den Spielraum und muss oft unverhofft scharf bremsen. „Wer verhindert, dass er anhalten muss, wenn der Vordermann anhält, verursacht schon mal keinen Stau.“

Lückenhüpfen: Nicht immer lässt sich der Abstand beeinflussen. „In der Praxis ist es schwierig, ausreichend Abstand zu halten, weil immer wieder andere Fahrer dazwischen wechseln“, erläutert Schreckenberg. Ein psychologisches Problem: „Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Autofahrer sich Autos, von denen sie überholt werden, besser einprägen, als die, die sie selbst überholen.“ Dass sie durch häufige Spurwechsel gar nicht schneller vorankommen und andere dadurch zu unnötigem Bremsen zwingen, merken sie nicht.

„Kolonnenwechsel sind einer der häufigsten Fehler“, meint auch Constantin Hack vom Auto Club Europa (ACE). Dabei würden oft sogenannte Phantomstaus entstehen. Staus scheinbar ohne Ursache und obwohl die Kapazität der Straße groß genug für das Verkehrsaufkommen sei. Hack warnt davor, bei zähfließendem Verkehr hektisch zu versuchen, Zeit zu gewinnen. „Man rechnet bei zähfließendem Verkehr mit einem Zeitverlust von etwa einer Minute pro Kilometer“, sagt er. Der Gewinn durch Spurwechsel sei hingegen minimal bis non-existent.

Träumen am Steuer: Oft stören Autofahrer auch unabsichtlich. Sven Rademacher vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) warnt davor, bei Stau oder zähfließendem Verkehr unaufmerksam zu werden. „Man muss immer konzentriert bleiben“, sagt er. Denn Träumer hinterm Steuer geraten leicht in Situationen, in denen sie plötzlich stark bremsen müssen. Wer im Stau abschaltet, erhöht zudem das Risiko von Folgeunfällen. „Das verlängert den Stau sowohl zeitlich als auch räumlich.“

Der Reißverschluss klemmt: Auch im Stadtverkehr ist die Ausnutzung des Verkehrsraums elementar, vor allem bei Spurschließungen. Dann ist das Reißverschlussverfahren vorgeschrieben. Doch ACE-Mann Hack weiß: „Der Reißverschluss klemmt fast immer.“ Viele Autofahrer würden das System gar nicht oder falsch verstehen und so zu früh auf die Nebenspur wechseln oder Wechsler blockieren.

Gaffen: Viele Autofahrer lassen sich wegen eines Unfalls oder auch einer bloßen Panne am Straßenrand vom Fahren ablenken. „Beim Gaffen bremsen die Leute plötzlich, wodurch die Unterschiede in der Geschwindigkeit wieder groß werden oder sogar Unfälle passieren“, sagt Michael Schreckenberg. Sven Rademacher vom DVR beklagt die Sensationslust mancher Autofahrer. „Das geht inzwischen oft über das bloße Gaffen hinaus.“