Als Musik tragbar wurde: Das Transistorradio wird 60

New York (dpa) - Fast jeder kann heute nahezu überall Musik hören. Doch noch unsere Großeltern mussten dafür in der Nähe einer Steckdose bleiben. Bis ein kleines Bauteil kam, das anfangs keiner wollte.

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Vor 60 Jahren hieß der iPod „Regency“. Er war klein. Und leicht. Und tragbar. 1954 wurde mit dem „Regency TR-1“ das Transistorradio erfunden - und zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit wurde für jeden das Empfangsgerät für Musik tragbar.

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Heute hat fast jeder praktisch immer Musik dabei, manchmal sogar mehrfach. MP3-Spieler, Telefon, Computer - auf Geräte, kleiner als eine Streichholzschachtel, passen Tausende Stunden Musik, Radio inklusive. Noch Elvis Presleys erste Platte aber konnte man, wenn man nicht gerade im Auto saß, nur zu Hause oder in der Eisbar hören. Dabei war es die Hochzeit des Radios, in der man stundenlang vor den Kästen saß und Reportagen, Hörspiele oder eben Musik hörte. Musik unterwegs? Wie sollte das denn mit den großen Stromschluckern namens Röhrenradio funktionieren? Es gab sie, aber nur als Randerscheinung. Und ihre Produktbezeichnung war nicht umsonst Kofferradio.

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Und dann kam der Transistor. Der machte im Grunde das gleiche wie eine Röhre, Schalten und Verstärken. Nur schneller. Und sparsamer. Und dabei war er noch viel kleiner und hatte nicht den zerbrechlichen Glaskolben. Doch anfangs gab es wirtschaftlichen Widerstand, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wollte das Gerät so recht keiner. Und als die Branche dann doch neugierig wurde, gab es keine Transistoren: Das Militär hatte alle weggekauft, weil man Funkgeräte ganz praktisch fand, die man nicht als Rucksack mit sich rumschleppen musste.

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So dauerte es bis 1953, bis das Intermetall-Halbleiterwerk aus Düsseldorf ein Transistorradio zeigte. Doch wieder waren die US-Amerikaner schneller, ein Produkt marktfähig zu machen: Texas Instruments stellte mit einem Partner am 18. Oktober 1954 das Regency TR-1 vor. Slogan: „See it! Hear it! Get it!“ - sehe es, höre es, kaufe es. Die Dinger waren trendy! Zwölfeinhalb Zentimeter waren die Plastikgehäuse groß, und an einem goldenen Rädchen konnte man die Frequenzen einstellen. Kleine rote Dreiecke markierten ganz besondere: Auf denen wollte die Regierung im Falle eines Atomkrieges informieren.

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Die erste Nachricht vom Mauerbau oder dem ersten Mann im All hörten die meisten Menschen vermutlich aus dem Transistorradio, genau wie den ersten Beatles-Song. Doch die Qualität des Radios war schlecht, und es kostete 50 Dollar - ein Brot damals 17 Cent, eine Briefmarke drei. Obwohl 50 Dollar mehr als ein halber Wochenlohn und die Batterien teuer waren, wurde das TR-1 im ersten Jahr immerhin 100 000 verkauft - allerdings hatten die Hersteller mit Millionen gerechnet.

Im nächsten Jahr gab es das Raytheon 8-TP: größer, teurer, aber auch mit deutlich besserer Musikqualität und geringerem Stromverbrauch. Es war eine Weltrevolution. Eine Beatgeneration ohne Transistorradio ist nicht einmal vorstellbar. Aber es ist erst zwei Generationen her, dass die Allgegenwart von Musik ihren Anfang nahm. Innerhalb von zwei Jahren fiel der Preis der Radios auf 15 Dollar. Es gab immer kleinere, bessere und billigere Radios, und die besten kamen aus Japan. Elektronik aus Fernost - wer hätte damals an so etwas gedacht?

Tatsächlich war es der Transistor, der den Grundstein zur japanischen Wirtschaftsmacht legte. Masura Ibuka sah das Bauteil in den USA und überzeugte seine Branche, auf diese Zukunft zu setzen. Seine Firma erwarb Patente, wuchs innerhalb weniger Jahre von sieben auf 500 Mitarbeiter und baute den Welterfolge namens TR-55. Das kleine Transistorradio war so erfolgreich, dass Ibuka seinem ganzen Unternehmen den Beinamen des Radios gab: Sony.