Analyse: Angst vor neuer Internet-Blase

New York (dpa) - Der furiose Börsengang des Online-Netzwerks LinkedIn schürt die Angst vor einer neuen Internet-Blase. Die Anleger waren so heiß auf Aktien der Plattform für berufliche Kontakte, dass sich ihr Börsenwert gleich am ersten Handelstag mehr als verdoppelte.

LinkedIn war zum Handelsschluss am Donnerstag 8,9 Milliarden Dollar (6,2 Mrd Euro) wert. Das ist mehr als in Deutschland etwa die Commerzbank oder der Flughafenbetreiber Fraport auf die Waage bringen.

Die Aktie war beim Börsengang für 45 Dollar ausgegeben worden und schloss am Donnerstag mit einem Kurs von 94,25 Dollar. Für kurze Zeit war das Papier sogar bis auf 122,70 Dollar hochgeschossen - LinkedIn war in diesem Moment fast zwölf Milliarden Dollar wert, mehr als etwa die Lufthansa.

Sorge macht Beobachtern vor allem das krasse Missverhältnis der Geschäftszahlen von LinkedIn auf der einen und der Milliarden-Bewertung auf der anderen Seite: Das Online-Netzwerk verdiente im vergangenen Jahr gerade einmal 15 Millionen Dollar bei 243 Millionen Dollar Umsatz.

Deswegen fühlen sich immer mehr Marktexperten an die sogenannte Dotcom-Blase vor mehr als zehn Jahren erinnert: Damals packten Anleger ihr Geld in fast alles, was eine Internet-Adresse hatte. Viele Firmen hatten aber kein tragfähiges Geschäftsmodell. Als die Blase schließlich platzte, wurden an der Börse viele Milliarden verbrannt. Allerdings gingen aus dieser Zeit auch heutige Schwergewichte wie die Handelsplattformen Amazon und Ebay hervor.

Oder man nehme Google: Der Internet-Riese hatte seine Aktien im Sommer 2004 zu 85 Dollar ausgegeben - am ersten Handelstag stiegen sie um mehr als 20 Prozent auf gut 100 Dollar. Der Börsenwert von 27 Milliarden Dollar war damals 138 Mal höher als der Gewinn, was manchen Beobachter dazu brachte, die Aktien für überteuert zu erklären. Heute notiert die Google-Aktie bei gut 530 Dollar - der Suchmaschinenprimus ist an der Börse über 171 Milliarden Dollar wert. Wertvollster Technologie-Konzern ist allerdings Apple mit aktuell knapp 314 Milliarden Dollar Börsenwert.

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist bei LinkedIn allerdings noch deutlich extremer als seinerzeit bei Google: Das Online-Netzwerk wird mit dem 600fachen seines Gewinns gehandelt. Die spannende Frage ist jetzt, was dieser neue Hunger der Anleger nach Internet-Aktien für den in einem Jahr erwarteten Börsengang des weltgrößten Online-Netzwerks Facebook bedeutet. Denn der Primus stellt LinkedIn in vieler Hinsicht in den Schatten: 600 Millionen statt 100 Millionen Mitglieder, geschätzte zwei Milliarden Dollar Umsatz, solide schwarze Zahlen.

In dem kleinen Zweitmarkt für Mitarbeiter-Aktien wurden Facebook-Anteile bereits zu Preisen gehandelt, die einen Börsenwert von mehr als 70 Milliarden Dollar bedeuten würden. Nachdem LinkedIn so durch die Decke ging, dürfte es allerdings noch mehr werden.

Hinter LinkedIn stehen im Wesentlichen der Mitgründer Reid Hoffmann mit 21,2 Prozent sowie die Finanzinvestoren Sequoia Capital, Greylock Partners und Bessemer Venture Partners mit zusammen 39,4 Prozent. Hoffmann hatte bereits beim Verkauf des Online-Bezahldienstes PayPal an Ebay ordentlich Kasse gemacht.

Größter Konkurrent ist Xing aus Hamburg mit mehr als 10 Millionen Mitgliedern, rund 4,5 Millionen davon im deutschsprachigen Raum. Xing war schon im Dezember 2006 an die Börse gegangen. Im Kielwasser des LinkedIn-Börsengangs legte am Donnerstag auch die Xing-Aktie um knapp neun Prozent zu, das Unternehmen ist jetzt über 290 Millionen Euro wert.