Analyse: Apples neuer Umgangston
New York (dpa) - Die Entschuldigung kam zügig und sie scheint die Wogen geglättet zu haben. Nachdem sich Apple anhören musste, Chinesen im Garantiefall im Regen stehen zu lassen, wandte sich Konzernchef Tim Cook direkt an die Kunden.
Er sprach von „Missverständnissen“, einem „Mangel an Kommunikation“ und versprach, dass sich Apple von nun an kulanter zeigen werde. Apple war von chinesischen Medien massiv angegangen worden. „Wir entschuldigen uns aufrichtig“, schrieb Cook nun auf der chinesischen Firmen-Website.
Es ist das neue Apple oder Apple 2.0, wie es US-Medien nennen. Nach dem Tod des legendären Firmengründers und Chefs Steve Jobs vor anderthalb Jahren hat sein Weggefährte und Nachfolger Tim Cook das verschlossene Unternehmen ein Stück weit geöffnet. Er wagte sich gleich mehrfach vor Publikum und stand Rede und Antwort. Auf Kritik und Anregungen von Kunden und Investoren reagierte er schnell und in vielen Fällen auch entgegenkommend.
Als Apple mit dem iPhone 5 einen eigenen Kartendienst startete, der die Nutzer anfangs häufig in die Irre führte, entschuldigte sich Cook und räumte ein: Apple habe dieses Mal „versagt“. Auch ruderte er zurück, als Apple wegen seines Ausstiegs bei einem US-Umweltsiegel in die Schusslinie geriet. Cook reagierte auf Kritik an den Arbeitsbedingungen der Arbeiter in China und sorgte für Kontrollen bei seinen Auftragsfertigern.
Steve Jobs hatte derartige Kritik regelmäßig an sich abprallen lassen - und legte einen anderen Tonfall an den Tag, wenn er um eine Entschuldigung nicht mehr herum kam.
Beispiel „Antennagate“ beim iPhone 4: Nutzer beklagten Probleme beim Netzempfang, wenn sie das Telefon auf eine bestimmte Weise in der Hand hielten. Hintergrund war die Bauform, denn der äußere Metallrahmen bildete die Antenne. Mehr als drei Wochen schwieg Jobs. Schließlich berief er eine Pressekonferenz ein, auf der er mit dem Finger zunächst auf die Konkurrenz zeigte - bei der gebe es ebenfalls Empfangsprobleme. Einen Rückruf lehnte er ab, stattdessen gab es Gratishüllen. Weiterhin unzufriedene Kunden sollten ihr iPhone 4 doch bitte zurückbringen.
Die Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen Apple-Chef fallen noch stärker beim Umgang mit Investoren auf. Bei Steve Jobs hatten Aktionäre jahrelang auf Granit gebissen, als sie verlangten, dass der gut verdienende Konzern doch endlich mal eine Dividende zahlen solle. Kaum hatte Tim Cook das Ruder übernommen, beteiligte er die Anteilseigner an den Milliardenreserven. Als im Februar der streitbare Hedgefonds-Manager David Einhorn mit öffentlichem Gepolter versuchte, Apple zu einer höheren Ausschüttung zu bewegen, reagierte Cook binnen Stunden - und zeigte sich gesprächsbereit.
Dabei wäre es falsch, Cook als weich abzustempeln. So bezeichnete er eine Klage des renitenten Finanzmanagers Einhorn unverhohlen als „dümmlichen Nebenkriegsschauplatz“. Bei den laufenden Prozessen um Patente zeigt er sich unnachgiebig. Apple wirft mehreren Konkurrenten vor, bei Design und Technik abgekupfert zu haben.
Doch Cook ist quasi gezwungen, das Unternehmen zu öffnen. Denn die Zeiten des massiven Wachstums, wie es Jobs erlebte, scheinen vorbei. Das zeigt sich auch im Aktienkurs, der weit unter seinem Höchststand liegt. Die Menschen in den Industrieländern haben mittlerweile ein Smartphone oder einen Tablet-Computer. In boomenden Schwellenländern muss sich Apple billigeren Konkurrenten stellen. Die chinesischen Kunden profitieren davon.