Analyse: Mit „Tianhe-2“ zur Supercomputer-Großmacht
Peking/Leipzig (dpa) - Es ist nicht das erste Mal, dass China den Spitzenplatz der schnellsten Supercomputer der Welt erobert hat. Doch die Dimensionen des neuen Mega-Computers aus dem Reich der Mitte überraschten selbst die Experten.
Denn der „Tianhe-2“ (Milchstraße 2) im Supercomputerzentrum in Guangzhou ist fast doppelt so schnell wie der amerikanische „Titan“, der erst vor einem halben Jahr an die Spitze der „Top 500“ der schnellsten Rechner der Welt aufgestiegen war.
Eigentlich hatten die Supercomputer-Fachleute erwartet, dass die gewaltige Maschine an der Universität für Verteidigungstechnologie in Guangzhou erst im Jahr 2015 komplett aufgebaut sein wird. Doch der amerikanische Mathematiker und Informatiker Jack Dongarra konnte bei einem Besuch im Süden Chinas bereits jetzt eine Rechenleistung von 33,86 PetaFLOPS (Billiarden Gleitkommarechenschritte pro Sekunde) messen.
Der bisherige Spitzenreiter, der „Titan“ des amerikanischen Oak Ridge National Laboratory, belegt mit 17,6 PetaFLOPS nun in den „Top 500“ Platz zwei. Die Maschine des Herstellers Cray wird vom US-Energieministerium in Oak Ridge (Tennessee) unter anderem für Material- und Klimaforschung sowie für Nuklear-Simulationen genutzt.
Die Wissenschaftler in China haben beim Bau des „Tianhe-2“ noch viele Bauteile verbaut, die von US-Unternehmen hergestellt werden. So stecken in dem Supercomputer 80 000 Mikroprozessoren von Intel. Neben Xeon-Chips nutzt „Tianhe-2“ auch Xeon Phi-Koprozessoren, die der kalifornische Chip-Konzern erst vor sechs Monaten auf den Markt gebracht hat. Wichtige Bauteile wie die Hauptplatinen und die sogenannten Frontend-Prozessoren, die die Zusammenarbeit der Rechnerkomponenten regeln, wurden jedoch nicht in den USA, sondern in China entwickelt. Auch das Betriebssystem Kylin, eine Variante des offenen Betriebssystems Linux, stammt aus China.
Nach Ansicht des Supercomputer-Experten Dongarra könnte der Erfolg des „Tianhe-2“ einen dauerhaften Wechsel an der Spitze der Computer-Technologie einläuten. „Das Bedeutendste an diesem System ist nicht die Tatsache, dass es Höchstleistung liefert, sondern, dass das System substanzielle Investitionen in Technologie demonstriert“, schrieb Dongarra in seinem Bericht.
Während China mit seinem groß angelegten Forschungsprogramm 863 punktet, werden in den Vereinigten Staaten Investitionen in die Spitzentechnologie in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld dagegen zurückgefahren. Allerdings haben die USA in der Top-500-Liste mit 253 Großrechnern deutlich mehr Systeme platziert als China mit 65 Anlagen.
Europa und Japan laufen beim Wettlauf um die stärksten Supercomputer indes China und den USA nur hinterher. Immerhin ist Deutschland in der Rangliste noch zwei Mal in den Top-10 vertreten: Der im Forschungszentrum Jülich betriebene und von IBM gebaute „Juqueen“ kommt auf eine Spitzenleistung von 4,1 PetaFLOPS und rangiert auf dem siebten Platz. SuperMuc (2,8 PetaFLOPS) aus dem Leibniz-Rechenzentrum bei München liegt auf Platz neun. Die IBM-Anlage wird von Wissenschaftlern an der Münchner Universität und der Bayerischen Akademie der Wissenschaft genutzt.