Analyse: „Wir sind nicht gierig“ - WhatsApp lässt sich kaufen
Menlo Park (dpa) - WhatsApp wollte anders sein. Die Gründer lehnten Werbung auf ihrem Kurznachrichten-Dienst ab. Das störe nur die Unterhaltungen, sagten sie. Sie fragen nur spärlich persönliche Informationen von ihren Nutzern ab, nicht einmal den Geburtstag.
Wozu auch, argumentierten sie, das mache den Dienst ja nicht besser. WhatsApp positionierte sich als das Gegenteil von Facebook - und wird nun ausgerechnet von dem größeren Rivalen geschluckt.
Damit landen am Ende auch die WhatsApp-Nutzer bei Facebook. Sie landen bei demjenigen Unternehmen, das davon lebt, sein ausgiebiges Wissen über seine mehr als 1,2 Milliarden Mitglieder in Werbung umzumünzen. Das sorgt für Erklärungsbedarf.
„Wir interessieren uns nicht für Informationen über unsere Nutzer“, beteuerte Mitgründer Jan Koum noch im Januar. Die moderate Gebühr von einem Dollar pro Jahr reiche für den Betrieb aus. „Wir sind nicht gierig. Und wir sind sparsam“, sagte Koum am Rande der Internetkonferenz DLD in München. Nun kassieren er und seine Mitstreiter insgesamt 19 Milliarden Dollar von Facebook. Verrat an der eigenen Sache?
Diesen Eindruck versuchte Koum bei der Verkündung des Deals zu vermeiden. Werbung? Die werde es weiterhin nicht geben. Nutzerdaten tauschen mit Facebook? WhatsApp bleibe eigenständig. Auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg beeilte sich, zu versichern: „Wir werden keinen großen Druck ausüben.“ WhatsApp solle zunächst einmal weiter wachsen. Danach könne man übers Geldverdienen nachdenken.
WhatsApp soll von den Nutzern weiter als eine Art Anti-Facebook wahrgenommen werden. Wenige Funktionen, dafür einfach zu bedienen und schnell. Das hat WhatsApp zu dem am schnellsten wachsenden sozialen Netzwerk überhaupt gemacht. Weder Facebook selbst, noch Gmail, Twitter oder Skype hätten vier Jahre nach ihrem Start eine solch große Anhängerschaft gehabt, rechnete Facebook vor.
Mehr als 450 Millionen Nutzer zählte WhatsApp zuletzt, täglich kommt eine weitere Million hinzu. „Unser Ziel ist es, einen Dienst zu bauen, den jeder nutzen kann, auf jeder Plattform, auf jedem Handy“, sagte Koum bei der Verkündung des Geschäfts. Allerdings machte die Facebook-Führungsriege auch klar, dass WhatsApp irgendwann einmal gutes Geld abwerfen müsse - das ist das Management schon seinen Aktionären schuldig.
Schließlich würde es bei einem Dollar pro Jahr und Nutzer lange dauern, den haushohen Kaufpreis wieder herauszuholen, selbst wenn WhatsApp bald wie erwartet auf eine Milliarde Nutzer anwächst. Im Netz wurde am Donnerstag bereits munter vorgerechnet, was man sich für das Geld sonst alles hätte kaufen können: Zum Beispiel zehn Space Shuttle, Stückpreis 1,7 Mrd Dollar.
„Man muss schon extrem naiv sein, um zu glauben, dass WhatsApp langfristig das heutige Preismodell von 0,99 Dollar pro Jahr bestehen lassen wird“, erklärte Ekkehard Stadie von der Strategieberatung Simon-Kucher & Partners. Eine Möglichkeit: „Warum sollte man nicht 1 Dollar pro Monat zahlen?“
Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar fürchtet indes angesichts des Kaufpreises von umgerechnet 14 Milliarden Euro, „dass eine Kapitalisierung über die personenbezogenen Daten der Nutzer erfolgen muss“. Boris Wita von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein schlägt in die gleiche Kerbe: „Wir gehen davon aus, dass diese Daten auch mit den Facebook-Daten verknüpft werden.“ Das sei schließlich bares Geld wert.
WhatsApp-Mitgründer Koum hatte jedoch wiederholt betont, dass es für ihn klare Grenzen beim Umgang mit Nutzerdaten gebe: „Wir machen keine Kompromisse.“