Angeblicher Wikileaks-Maulwurf Manning vor Gericht
Washington (dpa) - Anhänger feiern ihn als Helden, der das Grauen des Krieges ans Tageslicht bringt. Das Pentagon sieht ihn als Verräter. Jetzt muss der US-Soldat Bradley Manning vor ein Militärgericht.
Er soll als Maulwurf Wikileaks mit Geheimdokumenten versorgt haben.
Als Wikileaks im vergangenen Jahr Hunderttausende amerikanischer Geheimdokumente über die Kriege in Afghanistan und Irak veröffentlichte, schrieb die Enthüllungsplattform Internet-Geschichte. Schmutzige Wahrheiten kamen reihenweise ans Tageslicht. Mit einem Schlag konnte sich jeder, der Internet-Zugang hat, ein ungeschminktes und ungefiltertes Bild über den Krieg machen.
An diesem Freitag tritt der Mann, der hinter den Enthüllungen stehen soll, vor ein Militärgericht in den USA - dem 23-jährigen Obergefreiten Bradley Manning droht lebenslange Haft.
Manning, der als Geheimdienst-Analyst der US-Armee im Irak diente, gibt sich kaum Mühe, seine Taten zu verbergen. „Wenn Du freien Zugang zu Geheimdokumenten hast“, zitiert ihn ein Unterstützer-Netzwerk, „und Du unglaubliche, schreckliche Dinge siehst... Dinge, die an die Öffentlichkeit gehören... Was würdest Du tun?“
Das ist die klassische Haltung des Whistleblowers: Machenschaften der Herrschenden für jeden transparent machen. Manning: „Ich möchte, dass die Menschen die Wahrheit sehen.“
Das Pentagon bewertet die Angelegenheit naturgemäß anders. Von Anfang an brandmarkten die Militärs Manning als Saboteur, der mit der Weitergabe von Geheimdokumenten an Wikileaks dem Feind in die Hände gespielt und das Leben seiner Kameraden gefährdet habe. Der schwerste Anklagepunkt lautet „Unterstützung für den Feind“ - darauf steht Todesstrafe. Die Staatsanwaltschaft hat aber laut US-Medien bereits deutlich gemacht, dass sie die nicht beantragen wolle.
Ob es tatsächlich zum Prozess kommt, muss jetzt bei der Anhörung vor dem Militärgericht in Fort Meade in der Nähe Washingtons geklärt werden. Die Anhörung, bei der die Staatsanwaltschaft ihre Beweise auf den Tisch legen muss, dauert mehrere Tage, ein möglicher Prozess könnte sich über Monate hinziehen.
Wer ist der angebliche Maulwurf Bradley Manning? Schon in seiner Jugend in Oklahoma habe er sich für Computer interessiert, schreibt die „Washington Post“. Später habe er Kontakte in die Hackerszene unterhalten. Als er 2009 in den Irak kam, soll er psychische Probleme entwickelt haben. Er habe einen Zusammenbruch erlitten, auch seine Homosexualität habe ihm Probleme bereitet. Immerhin: Die US-Behörden ließen unlängst Mannings Geisteszustand überprüfen mit dem Fazit, er sei fit für einen Prozess.
Im Irak, als er Zugang zum geheimen Regierungsnetzwerk SIPRNet hatte, sei Manning erneut in der Hackerszene unterwegs gewesen, unter dem Namen „Bradass87“. Spektakulär war bereits Mannings mutmaßlicher erster Coup. Das Video, das er an die Öffentlichkeit geschmuggelt haben soll, entlarvt brutales Vorgehen von US-Soldaten im Irak: Aus einem Kampfhubschrauber eröffnen sie das Feuer auf Zivilisten - elf Menschen kommen ums Leben, darunter zwei Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters.
Schon vor Beginn des Verfahrens haben Unterstützer für Manning mobilisiert. Die deutsche Schriftstellervereinigung PEN etwa dankte ihm demonstrativ „für den Verrat unwürdiger Geheimnisse“. Der kleine Gefreite habe geholfen, „den Krieg im Irak und in Afghanistan zu beurteilen“. Auch Geheimnisverrat könnte dem Frieden dienen.
„Keine Folter, keine Todesstrafe für den beschuldigten Whistleblower“, fordert etwa das „Bradley Manning Support Network“. Manning hatte sich über Misshandlungen im Gefängnis geklagt. Zeitweise sei er gezwungen worden, jeden Abend nackt vor seinen Wärtern strammzustehen. Amnesty International sprach von „unmenschlicher Behandlung“. Doch das Pentagon winkte ab.
Ein Prozess - wenn es dazu kommt - dürfte spektakulär werden - und ein Meilenstein für alle Whistleblower. Zwar hält sich Mannings Anwalt David Coombs öffentlich zurück, doch seine Unterstützer haben bereits die Strategie der Verteidigung ins Netz gestellt. Tenor: Die Behauptung der US-Armee, dass eigene Soldaten durch die Enthüllungen in Gefahr geraten seien, sei falsch. Selbst hohe Militärs hätten das intern eingeräumt.