Anonymität ist relativ - Unerkannt im Netz surfen
Frankfurt/Main (dpa/tmn) - Jeder Seite, die man im Netz besucht, teilt man automatisch seine IP-Adresse mit - und ist damit im Zweifel leicht zu identifizieren. Annähernd anonym bewegt sich nur, wem es gelingt, die Adresse erfolgreich zu verschleiern.
Jeder hat ein Recht darauf, sich anonym im Netz zu bewegen und über seine Daten selbst zu bestimmen. Um unerkannt zu surfen, gelten Anonymisierungs- oder VPN-Dienste als Mittel der Wahl. Doch auch diese vermeintlich sicheren Wege haben Schwächen. Denn Anonymität im Netz ist immer relativ.
Wer seine Daten schützen will, sollte zuerst sein Surfverhalten prüfen. Axel Kossel von der Fachzeitschrift „c't“ rät, sich folgende Fragen zu stellen: „Benutze ich immer die gleiche E-Mail-Adresse, immer den gleichen Namen, wenn ich mich irgendwo im Internet anmelde?“ So ließe sich im Zeifel ein genaues Surfer-Bild erstellen.
Ein weiterer Schritt hin zu mehr Unsichtbarkeit ist, den Browser so zu konfigurieren, dass er so wenig wie möglich über den Surfer preisgibt. Dazu bietet fast jeder Browser einen „privaten“ Modus an. Man könne den Browser auch in einer virtuellen Maschinen betreiben oder unter Windows für verschiedene Internet-Nutzungsszenarien neue Nutzerkonten einrichten, rät Kossel. Es gibt auch vorkonfigurierte Browser mit integrierten Datenschutz- und Sicherheitselementen wie etwa den auf Firefox basierenden, kostenlosen JonDoFox.
Tor gilt indes vielen als Prototyp einer Tarnkappe fürs Netz. Es entstand mit der Idee, die Kommunikation von Dissidenten in repressiven Regimen zu schützen. Tor besteht aus einem kostenlosen, weltweiten Server-Verbund, der mit zugehöriger Software den Internet-Datenverkehr des Nutzers paketweise verschlüsselt und seine IP-Adresse verschleiert, indem die Pakete zufällige Wege über die Server nehmen (Onion-Routing). Das bremst das Tempo spürbar.
Skeptisch stimmt auch die Unklarheit darüber, wer eigentlich die freiwilligen Tor-Server-Betreiber sind. Man müsse davon ausgehen, „dass ein beträchtlicher Teil der Tor-Exit-Nodes nicht etwa von Menschenrechtsaktivisten, sondern von Geheimdiensten betrieben wird“, erklärt Jürgen Schmidt in der „c't“. „Und dessen Betreiber kann alles mitlesen, was Sie nicht explizit verschlüsseln.“ Für den „Internet-Alltag von Lieschen Müller“ sei Tor daher wenig sinnvoll.
Zudem haben Forscher des U. S. Naval Research Laboratory und der Georgetown University in Washington DC in einer Studie gezeigt, dass der Tor-Schutz fragil ist. Es gelang ihnen, durch Betrieb eines Tor-Servers und die Analyse des Datenverkehrs die Anonymität von 80 Prozent der verfolgten Nutzer in einem halben Jahr zu brechen.
Trotzdem gibt es gute Gründe, Tor zu nutzen. Denn je mehr Menschen das Netzwerk unterstützen, desto sicherer wird es für alle, die die Anonymität wirklich brauchen. In Deutschland gab es laut dem Tor Metrics Portal im August gut 62 000 tägliche Tor-Nutzer, im September bereits weit über 200 000. Auch weltweit steigt die Nachfrage sprunghaft. Besonders einfach ist die Nutzung mit dem Tor Browser Bundle, einer Firefox-Version, die auch auf USB-Sticks mitgenommen werden kann.
Wer flexibel sein möchte, kopiert sich das Tor Browser Bundle auf einen USB-Speicherstick, am besten in allen drei Versionen für Windows, Mac OS X und Linux. So kann man immer und überall an jedem Rechner anonym surfen und hinterlässt dort keine Datenspuren.
JonDonym ist ein anderer Anonymisierungsdienst, bei dem die verschlüsselten Datenpakete zur Verschleierung eine Kaskade von Mix-Servern durchlaufen. Die Server-Betreiber sind alle bekannt und erhalten ein Zertifikat vom Anbieter JonDos, der aus einem Projekt der TU Dresden, der Universität Regensburg und des Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) hervorging. Als Besonderheit steht mindestens ein Server der Kaskade immer im Ausland. Das soll eine etwaige Enttarnung von Nutzern erheblich erschweren. JonDonym kostet mit fünf Gigabyte Datenvolumen knapp 17 Euro im Monat.
Wer bereit ist, für Anonymität Geld auszugeben, kann auch auf VPN-Dienste setzen, die einen „Tunnel ins Netz“ vermieten. Das geht aber nur mit Vertrauen. Denn die Anbieter kennen die echte IP-Adresse und können alle Daten einsehen, die unverschlüsselt gesendet werden. Die Nutzung ist meist komfortabel. Kosten: 30 bis 70 Euro pro Jahr.
Grundsätzlich sollte man auch bedenken, dass die ganze aufwändige IP-Verschleierung nichts bringt, wenn man bei Verbindungen ohne https-Verschlüsselung irgendwo persönliche Daten angibt, sich bei Diensten anmeldet oder durch aktive Inhalte wie JavaScript, Cookies oder den Fingerabdruck des Browsers identifizierbar ist. Hier kann zur Konfiguration von Tor etwa die Tool-Sammlung Vidalia hilfreich sein. Ähnliche Tools bringt die JonDonym-Software von Haus aus mit.