Assistent und Überwacher: Schöne neue Welt der Wearables
Barcelona (dpa/tmn) - In freier Wildbahn sind Smartwatches bislang eher selten anzutreffen. Allein bei den technikaffinen Besuchern des Mobile World Congress in Barcelona (2. bis 5. März) zieren die Computeruhren viele Handgelenke.
Geht es nach den Herstellern, sollen Smartwatches aber bald auch im Alltag ankommen. Aktuell explodiert das Angebot. Unzählige Anbieter zeigen auf der Mobilfunkmesse, was bald am Handgelenk oder auf der Nase angesagt sein könnte.
Bei den Smartwatches zeichnen sich zwei Trends ab. LGs Watch Urbane LTE funktioniert etwa wie Samsungs Gear S dank eines eigenen Mobilfunkmoduls auch ohne Smartphone. Die Koreaner setzten bei der Urbane LTE auf das eigentlich schon ausgemusterte Betriebssystem WebOS. Eine zweite Version der LG Watch Urbane kommt ohne Mobilfunkanschluss aus und setzt auf Googles Android Wear, das als Betriebssystem auch in der Huawai Watch zum Einsatz kommt. Das Smartwatch-Debüt der Chinesen packt zahllose Sensoren zur Überwachung von Bewegungsaktivitäten hinter das runde Display. Rein optisch orientieren sich sowohl LG als auch Huawai an klassischen Chronometern.
Ein Problem, mit dem die hochgerüsteten Computeruhren kämpfen, ist die kurze Batterielaufzeit. Mehr als ein Tag ohne Steckdose ist kaum drin. Vielleicht ist das ein Grund, warum sie bislang noch eher ein Nischenprodukt sind. Timm Hoffmann vom IT-Branchenverband Bitkom glaubt an eine Zukunft der tragbaren Technologie. „Perspektivisch werden sie sich durchsetzen“, sagt er über Geräte wie Smartwatches. „Wenn sie noch einfacher und ausdauernder werden.“
Die neuen Uhren von Pebble halten bereits fünf bis sieben Tage durch. Möglich macht das ein energiesparendes Display mit elektronischer Tinte, das in den Varianten Pebble Time und Pebble Time Steel auch Farbe anzeigt. Mit den neuen Modellen will Pebble eine offene Plattform für Entwickler werden, sagt Firmenchef Eric Migicovsky. Über eine Schnittstelle können künftig schlaue Armbänder die Funktionen der Uhr erweitern. Denkbar sind etwa Pulsmesser oder NFC-Chips, um die Smartwatch fürs mobile Bezahlen zu rüsten.
Zur schönen neuen Welt der Wearables gehören aber auch Funktionen, die viele kritisch sehen. Mit Haier und B-on zeigen gleich zwei Hersteller Uhren, mit denen sich etwa Kinder per GPS überwachen lassen. Verlässt der Träger der Uhr einen definierten Bereich, schlägt etwa das Eltern-Smartphone Alarm. Sogar das Mithören von Geräuschen im Hintergrund ist dann möglich. Und in B-ons Modell Amigo verraten Sensoren den Eltern, wie aktiv der Nachwuchs tagsüber war.
Für Matthias Ziegler, Experte für neue Technologien bei der Unternehmensberatung Accenture, haben Smartwatches in jedem Fall noch viel Entwicklungspotenzial. „Die Zukunft liegt in der Integration“, sagt er. Künftig würden die Uhren noch enger etwa mit dem Auto oder dem vernetzten Haus zusammenarbeiten.
Auch die Fitness-Tracker und -Armbänder stehen in Barcelona hoch im Kurs. Huawei setzt mit seinem TalkBand B2 auf Vielseitigkeit. Das Gerät hat Sensoren zum Messen von körperlichen Aktivitäten. Sein Herzstück lässt sich ohne Armband auch als Bluetooth-Ohrstecker nutzen. HTCs Grip ist ein Hybride aus Smartwatch und Fitness-Armband. Mit dem Smartphone verbunden, kann es Nachrichten, Termine und eingehende Anrufe auf dem kleinen Display anzeigen. Acers Liquid Leap+ erlaubt das Steuern der Musikwiedergabe auf dem Smartphone. „Für Hobbysportler ist das eine spannende Sache“, sagt Bitkom-Experte Hoffmann. Für die Zukunft erwartet er, dass die Sensoren noch enger an den Menschen heranrücken - etwa eingewebt in Sportkleidung.
Ein weiterer Zukunftstrend ist die virtuelle Realität. Samsung hat in Barcelona eine neue Version seiner Datenbrille Gear VR angekündigt. Sie ist etwas kompakter als das bisher nur für das Phablet Note 4 verfügbare erste Modell. Nun können auch die neuen Galaxy-S6-Modelle vor die Linsen der Brille gesteckt werden. Schon die erste Version bietet mit zahlreichen Spielen und Filmen ein großes Angebot an Inhalten. Und Samsung wird nicht lange allein bleiben. HTC will mit dem Spielepublisher und Steam-Betreiber Valve bis Ende des Jahres ein eigenes marktfähiges Modell namens Vive herausbringen.
Technologieexperte Ziegler glaubt an das Potenzial der virtuellen Realität. Zwar werden die Brillen seiner Ansicht nach eher von Spielern genutzt werden, doch 360-Grad-Videos und Fotopanoramen haben auch für normale Nutzer großes Potenzial, ist er überzeugt. „Das ist noch einmal ein ganz anderes Erlebnis.“