Autobauer suchen Anschluss in der digitalen Welt
Nürtingen (dpa) - Online-Shops, Instagram-Kanäle und Apps zum Teilen von Fahrzeugen - die Autobauer bemühen sich im Wettbewerb mit neuen Konkurrenten aus dem Silicon Valley, ihre Kunden über neue digitale Angebote zu binden.
„Der entscheidende Punkt ist es, ob wir die direkte Schnittstelle zum Kunden in der Hand behalten können“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche am Mittwoch beim „Tag der Automobilwirtschaft“ in Nürtingen. Digitale Kanäle, so Zetsche, würden dabei immer wichtiger.
Angesichts neuer Rivalen wie Apple und Google, die mehr und mehr ins Auto vordringen, bleibt den Herstellern keine andere Wahl. Über Pläne von Apple, ein eigenes Auto zu bauen, wird zwar bislang nur spekuliert, Googles knubbelige Vision für das selbstfahrende Auto ist aber harte Realität. Beide IT-Konzerne bieten Systeme für die Unterhaltungselektronik im Auto an. Hinzu kommen indirekte Konkurrenten wie die Fahrten-Vermittler Uber oder Lyft.
„Wir haben es mit Playern zu tun, die mit anderen Spielregeln rangehen“, betonte BMW-Vorstand Peter Schwarzenbauer, der bei den Bayern unter anderem für digitale Mobilitätsdienste zuständig ist.
Das erhöht den Druck für die Autohersteller, sich immer weiter in die digitale Welt vorzuwagen. „Klassische Marken kommen heute nicht mehr darum herum, sich mit Digitalisierung auseinanderzusetzen, weil Kommunikation und Geschäftsmodelle digitalisiert werden“, sagt Prof. Franz-Rudolf Esch, Leiter des Lehrstuhls für Markenmanagement und Automotive Marketing an der European Business School. Autokäufer suchten heute beispielsweise zuerst Informationen zu Automodellen auf den Websites der Hersteller und konfigurierten dort ihr Fahrzeug, bevor sie überhaupt einen Fuß in ein Autohaus setzen. „Marken werden zunehmend über die digitale Welt für Kunden erlebbar“, sagt Esch.
Trotzdem haben Daimler, BMW und Co einen Nachteil: „Automarken fehlt die digitale Herkunft. Deshalb haben sie ein Problem, wenn digitale Marken gegen sie antreten“, erklärt Prof. Christoph Burmann vom Lehrstuhl für innovatives Markenmanagement an der Universität Bremen. „Klassische Marken können sich heute in Richtung einer echten digitalen Marke bewegen, indem entsprechende Kanäle bedient werden.“ Ansonsten liefen sie auf Dauer Gefahr, an Attraktivität zu verlieren.
Auch deshalb bemühen sich die Autohersteller auf verschiedensten Ebenen, mit möglichst jungen Angeboten Aufmerksamkeit zu gewinnen. Großes Aufsehen erregte Opel mit seiner Kampagne „Umparken im Kopf“. Online, aber auch auf Plakaten, wurde mit populären Irrtümern aufgeräumt. Erst nach Tagen deckte Opel auf, wer hinter der Sache steckte: Ein Autobauer, der sich um ein neues Image bemüht.
BMW-Vorstand Schwarzenbauer sieht vor allem eine Veränderung: „Wir treten in einen ganz anderen Dialog, den wir so bisher nicht gekannt haben.“ Die Kunden würden in der digitalen Welt anders behandelt. Die Autoindustrie hingegen sei jahrelang keine kundenorientierte Industrie gewesen. „Das sind Dinge, die können wir in der Autoindustrie (noch) nicht.“
Auch deshalb bauen die Hersteller neue digitale Angebote, die mehr Nutzen bringen sollen. BMW steht hinter diversen Apps - unter anderem zur Parkplatzsuche. Über Daimlers Plattform MercedesMe können Verkehrsinformationen, Zustand oder Standort des eigenen Autos abgerufen und weiterführende Mobilitätsangebote - wie öffentlicher Nahverkehr oder Carsharing - gesucht werden. Opel bietet ähnliche Dienste mit Onstar an: Dahinter verbirgt sich neben einer automatischen Unfallhilfe auch ein WLAN-Hotspot.
Auch das klassische Autohaus wandelt sich: Audi hat mit der Audi City einen digitalen Showroom entworfen, wo Kunden ihr Auto an Bildschirmen konfigurieren können. Hyundai testet mit Rockar eine neue Form des digitalen Autohandels, auch Daimler verkauft Neuwagen inzwischen Online. „Für einen Kunden, der sich gut beraten fühlt, entscheidet am Ende nicht, ob er über einen Händler, eine Niederlassung oder Facebook in Kontakt tritt“, sagt Daimler-Chef Zetsche.
Marketing-Experte Bormann hat allerdings Zweifel, ob die Bemühungen immer bei den Kunden ankommen. „Bislang wird nicht wahrgenommen, was die Autohersteller machen“, sagt er. „Die Frage ist, was produziert das für einen Nutzen im Vergleich zum Kernprodukt.“ BMW-Vorstand Schwarzenbauer rechnet zugleich mit neuer Konkurrenz im Kerngeschäft: Er glaube daran, dass Apple ein Auto baut. „Allein wenn man sich anschaut, was für Menschen die eingestellt haben mit was für Fähigkeiten in den vergangenen Monaten. Dann muss man logischerweise davon ausgehen, dass die ernsthaft an einem Fahrzeug arbeiten.“