Bericht: Steinbrück-Sprechstunde auf Twitter
Berlin (dpa) - Twittern ist gar nicht so einfach. Zumindest hatte Peer Steinbrück bei seiner ersten Twitter-Sprechstunde am Mittwoch noch ein paar Anlaufschwierigkeiten mit dem unvertrauten Kommunikationsmedium.
Aber dann haben ihm viele geholfen bei den ersten Gehversuchen.
„Kleiner Tipp“, schrieb ihm die Journalistin Annett Meiritz und verriet dem Politiker den klugen Umgang mit Hashtags, das sind verlinkte Schlüsselbegriffen. Ein anderer erklärte geduldig, dass Tweets, die mit einer Anrede beginnen, nur für die angesprochene Person angezeigt werden, also nicht für alle zu sehen sind.
Die wichtigste Frage war eher unpolitisch: Twittert Steinbrück eigentlich selbst? Sein Twitter-Profil lässt das offen: „Hier twittert das Team von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück - und ab und zu er selbst.“ Während der Fragestunde antwortete er dann ganz offen: „Ich lese, mein Nachbar tippt. Der ist einfach schneller.“
Steinbrück musste in dem „Twitterview“ auch erläutern, warum er jetzt doch bei Twitter mitmacht, obwohl er eigentlich „nie im Leben twittern“ wollte. „Weil mich viele Fragen erreichen. Ich werde nicht ständig twittern, also nicht "sitze im Einstein mit Einstein ..."“, lautete die knappe Begründung für den Sinneswandel.
Etliche Fragesteller konfrontierten den Kanzlerkandidaten mit Fragen zur Sozialpolitik. Der Berliner Martin Delius, für die Piraten im Abgeordnetenhaus, bezeichnete Steinbrück als „Minister der Deregulierung der Finanzmärkte“ und fragte, wie er glaubwürdig sozial wirken wolle.
Andere Piraten nutzten die Gelegenheit, um die Debatte über Nebeneinkünfte des SPD-Bundestagsabgeordneten wieder anzufachen. „Wie teuer ist ein Tweet von dir, wenn eine Rede 25 000 Euro kostet?“ fragte Christopher Lauer, seines Zeichens nicht nur Fraktionsvorsitzender in Berlin, sondern auch Enfant terrible der Twitter-Szene. Den 25 000-Euro-Auftritt bei den Stadtwerken Bochum vergisst das Netz wohl nicht so schnell, auch wenn sich Steinbrück inzwischen längst reumütig zeigt.
Wer sich auf Twitter begibt, muss auch mit allerlei Albernheiten und Trollen rechnen - letztere sind Mitmenschen, die das Kommunizieren im Netz bewusst ins Absurde führen und so Sand ins Getriebe streuen. Ob Steinbrück als Kanzler die Kavallerie in der Bundeswehr einführen wolle, fragte einer. Ein anderer wollte wissen, ob er Steinbrück für 25 000 Euro zum Abwaschen engagieren könne.
Die meisten bissigen oder nicht ernst gemeinten Fragen ignorierte Steinbrück. Auf andere gab er brav Antwort oder nutzte die Gelegenheit, die schwarz-gelbe Bundesregierung zu attackieren. Auf die Steilvorlage eines Sympathisanten („Warum wird die Energiewende wieder auf die "Kleinen" abgewälzt“) stichelte Steinbrück: „Fragen sie die Bundesregierung ... sie ist verantwortlich und vergeigt gerade diese Jahrhundertaufgabe.“
Der SPD-Politiker sprach sich auch für einen flächendeckenden Mindestlohn und die steuerliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe aus. Zu Wohnungsbau und Stadtpolitik kündigte er einen „Nationalen Aktionsplan“ an. Berlusconi mag Steinbrück erwartungsgemäß nicht. Zu Fragen nach der auf Twitter besonders interessierenden Netzpolitik sagte der Kandidat aber nichts. So zeigten sich nach der Fragestunde auch etliche Twitterer eher enttäuscht. „Niedrige Erwartungen noch untertroffen“, schrieb eine Berlinerin.
Ein Twitterer aus Hannover nahm den Hashtag #fragpeer beim Wort und fragte: „Dürfen wir Sie jetzt immer und überall Peer statt Herr Steinbrück nennen?“ Die Antwort des Kandidaten: „Treten sie der SPD bei, dann können auch Sie mich duzen.“ Und mit Blick auf sein öffentliches Image fügte er gleich noch hinzu: „Ich bin weder anbiedernd noch distanziert.“ Zum Schluss dann ein erstes Resümee des Kandidaten: „So das war's. Danke an alle, besonders an die 500 Follower, die in dieser Stunde dazugekommen sind.“