Blackberry 10: Großer Bahnhof für die iPhone-Alternative
New York (dpa) - Der Smartphone-Spezialist Blackberry hat sein neues System Blackberry 10 vorgestellt. Es ist wohl die letzte Chance, gegen Apple mit dem iPhone sowie gegen die Android-Handys bestehen zu können.
Die Show in New York war entsprechend bombastisch.
Blackberry mietete zur Vorstellung des neuen Smartphone-Systems Blackberry 10 einen der größten Veranstaltungsorte im eng bebauten New York an und karrte Busladungen von Journalisten, Analysten und Geschäftspartnern an. Dann trat auch noch Sängerin Alicia Keys unter Jubel auf.
Dabei hat RIM im vergangenen Jahr wegen des Vormarschs von Apples iPhone und der Android-Handys mehrere Hundert Millionen Dollar Verlust gemacht und baut deshalb gerade 5000 Stellen ab. Der betriebene Aufwand macht klar: Blackberry 10 muss ein Erfolg werden.
Der Mann, der diesen Erfolg garantieren soll, heißt Thorsten Heins und kommt aus Deutschland. „Das ist eine der größten Neuvorstellungen in unserer Branche“, sagte der Blackberry-Chef am Mittwoch am Pier 36, einer alten Lagerhalle in Downtown Manhattan direkt am East River. Hier hatte schon VW seinen Retro-Käfer Beetle vorgestellt, der Bierbrauer Heineken hatte für ein Konzern Cee-Lo Green auf die Bühne geholt, und auch eine Hochzeit mit 900 Leuten fand hier schon statt.
Und nun die Enthüllung von Blackberry 10. Parallel gab es Veranstaltungen in London, Paris, Toronto, Dubai und Johannesburg. Der Tag begann mit der Nachricht, dass der Blackberry-Hersteller Research in Motion (RIM) sich in Blackberry umbenennt, dann folgte die Präsentation von zwei Smartphones, eines mit der bekannten Tastatur, eines mit reinem Touchscreen.
Eine Überraschung war der Auftritt von Alicia Keys: Die Sängerin wird künftig zur Markenbotschafterin für Blackberry und das neue System. „Es ist eine große Aufgabe“, sagte sie. „Ich war in einer Langzeit-Beziehung mit Blackberry, dann habe ich bemerkt, dass es heißere Typen gibt“, gestand Keys. Doch nun sei sie zurückgekehrt.
Für das Unternehmen sei dies die „wichtigste Veranstaltung in der Firmengeschichte seit 1996“, stellte die „New York Times“ fest. Damals hätten die Firmengründer Investoren ein kleines Stück Holz gezeigt und versprochen, dass eine derart geformte drahtlose E-Mail-Maschine das Geschäft für immer verändern werde. Die Prophezeiung bewahrheitete sich: Die Blackberrys wurden zum Statussymbol der Manager auf der ganzen Welt - und ebneten letztlich auch iPhone und Co. den Weg.
Doch statt den Markt anzuführen, kämpft Blackberry mittlerweile ums Überleben. Die Kanadier setzten bei ihren Blackberrys zu lange auf eine Tastatur und verschliefen den Trend zu berührungsempfindlichen Bildschirmen. Diesen Markt rollte Apple auf - und überrollte schließlich RIM. Später kam Google mit seinem Android-Betriebssystem hinzu, das etwa die beliebten Galaxy-Geräte von Samsung antreibt.
Blackberry 10 stehe jetzt bereit wie ein Wagen vor einem Rennen, merkte Gartner-Analystin Carolina Milanesi an. „Jetzt müssen sie nicht den Motor abwürgen und keinen Unfall bauen.“ Die Marktforschungsfirma Ovum hielt Blackberry zugute, dass das neue System sich vom Rest des Marktes abhebe. „Es wird aber eine Herausforderung, neue Nutzer anzulocken und die zurückzugewinnen, die bereits zu anderen Smartphones gewechselt sind.“
Firmenchef Heins steht seit einem Jahr an der Spitze. „Es war das herausfordernste Jahr meiner Karriere“, sagte er. Gleichzeitig sei es aber auch das Erfüllendste gewesen. Der Mittfünfziger hatte Karriere in der früheren Kommunikationssparte von Siemens gemacht, bevor er 2007 zu RIM wechselte und vor der Berufung auf den Chefposten das Tagesgeschäft führte. Er löste das zuletzt heftig kritisierte Führungsduo Mike Lazaridis und Jim Balsillie ab.
Heins wusste um die schwierige Aufgabe und griff durch: Er streicht fast jeden Dritten der einst 16 500 Jobs und drückt damit die Kosten um eine Milliarde Dollar. Gleichzeitig hielt er seinen Entwicklern den Rücken frei, um das neue Betriebssystem Blackberry 10 zur Perfektion zu bringen. Mehrere Male wurde die Veröffentlichung verschoben, die Investoren wurden unruhig. Doch Heins bewies ein breites Kreuz: „Wir wussten, es war riskant.“
Im vergangenen Jahr hatte sich der Anteil der Blackberrys an den Verkäufen nach Zahlen der Marktforschungsfirma IDC mehr als halbiert auf 4,6 Prozent - bei einem Smartphone-Markt, der insgesamt boomte. Die Zahl der ausgelieferten Blackberrys schrumpfte um mehr als ein Drittel auf 32,5 Millionen. Zum Vergleich: Samsung lieferte im gleichen Zeitraum 215,8 Millionen der Computerhandys aus und Apple kam nach den IDC-Berechnungen auf 135,9 Millionen iPhones. Blackberry will jetzt vor allem seine Stammkunden in Unternehmen und Behörden zurückgewinnen.
Das Comeback wird aber nicht einfach: Auch Apple und vor allem Microsoft mit seinem neuen Betriebssystem Windows Phone 8 zielen auf Geschäftskunden. Windows-Smartphones bringen beispielsweise die bekannten Office-Büroprogramme in abgespeckter Form gleich mit. Worauf Blackberry setzen kann, sind immer noch 79 Millionen Nutzer. Die Aufholjagd hat begonnen.