Blackberry setzt zur Aufholjagd an
Berlin (dpa) - Der Blackberry-Anbieter Research in Motion (RIM) will wieder auf die Beine kommen. Als vielleicht letzter Strohhalm dienen ein neues Betriebssystem samt zugehöriger Geräte, die RIM am Mittwoch vorstellen will.
Der einst beliebte Smartphone-Pionier kam ins Straucheln, weil er nicht schnell genug auf die Umwälzungen am Handymarkt reagierte. Apple und vor allem Samsung zogen mit schicken Touchscreen-Telefonen vorbei.
Blackberry kämpft nun ums Überleben: Im dritten Quartal 2012 lag der Marktanteil nur noch bei 2,1 Prozent, wie die Marktforschungsfirma Gartner errechnete. Das neue Betriebssystem Blackberry 10 soll die Wende bringen. Börsianer zweifeln, ob es gelingt, das Steuer herumzureißen: Die RIM-Aktie strauchelte zu Beginn der Woche. An der New Yorker Börse verlor sie am Montag 7,75 Prozent auf 16,18 Dollar.
Glaubt man Peter Mayer, dem Chefredakteur der österreichischen Computer-Webseite „Telekom Presse“ stehen die Chancen dennoch gut. Mayer hat das neue Blackberry-Handy bereits getestet und ist davon ebenso begeistert wie von der Entwicklerversion des Betriebssystems. „Was die Software anbelangt, hat RIM einen extrem guten Job gemacht“, sagte er der dpa. Sie laufe flüssig, das Handy sei einfach zu bedienen und reagiere schnell. Er lobte die Nachrichtenzentrale, die SMS, Facebook-Nachrichten und Spielemeldungen sammelt.
Das Betriebssystem erlaubt zudem getrennte Bereiche für private und berufliche Nutzung. So können Unternehmen ihren Mitarbeitern Zugriff auf Firmen-E-Mails und interne Unterlagen geben, ohne dass diese mit privaten Nachrichten vermischt werden. Der Geschäftsbereich sei mit einer Passwort-Eingabe geschützt, berichtet Mayer. „Für Unternehmen ist das natürlich hochinteressant“, sagt er. „Mein Gesamteindruck ist, dass RIM hier ein absolut konkurrenzfähiges Gerät geschaffen hat.“
Doch nicht nur Börsenhandler sind skeptisch. Analystin Roberta Gozza von Gartner bezweifelt, ob RIM den Anschluss schaffen kann. „Sie kommen sehr spät in einem Markt, der zwischen den Betriebssystemen sehr umkämpft ist“, sagte Cozza der dpa. Das mache es schwer für RIM, Entwickler anzulocken. Die programmieren neue Apps, jene beliebten Programme, die Menschen massenhaft auf ihre Handys herunterladen. Spiele, Fotofilter, Nachrichtenseiten, das Wetter, Börsenkurse, für alles gibt es eine App. Allein Apple zählt inzwischen 775 000 Programme für iPhones, Tablets und iPods im eigenen App-Laden. Konsumenten wollen Auswahl haben.
Deshalb lockt RIM Entwickler mit finanziellen Anreizen. Auf einem Firmenblog berichtet die Firma von Marathonsitzungen, bei denen tausende Apps für das neue Betriebssystem angemeldet werden. Doch in den Augen der Entwickler hinke Blackberry hinter Apple, Google und Microsoft her, meint Cozza. Sie zu überzeugen, werde Zeit brauchen.
Geschäftsleute, die früher an ihren Blackberrys hingen, haben sich ebenfalls an die Angebote der Konkurrenz gewöhnt. Apple mit seinen iPhones und Google mit dem Betriebssystem Android dominieren den Markt. „RIM war erfolgreich, als man noch klar trennen konnte, was Geschäftskunden und was Privatnutzer wollen“, sagte Cozza. „Heute ist diese Grenze verschwommen.“ Blackberrys lohnten sich nun vor allem für Firmen oder Behörden mit strengen Sicherheitsvorschriften.
Doch nicht überall hat Blackberry das Image des Handys für Anzugträger. RIM-Chef Thorsten Heins verweist darauf, dass die Firma in Märkten wie Indonesien, Südafrika und Großbritannien auch bei privaten Anwendern und Jugendlichen stark sei. Dort verschicken Menschen gerne Nachrichten über den internen SMS-Dienst von einem Blackberry zum anderen. Das Unternehmen balanciert zwischen Geschäftsleuten und Kurznachrichten tippenden Teenagern.
Es werde sich zeigen, ob es am Smartphone-Markt genug Platz für vier große Betriebssysteme gebe, sagte Heins kürzlich der „Welt“. Dazu zählen neben Googles Android und iOS von Apple auch Microsofts Windows. Seit September vergangenen Jahres klettert der Aktienkurs von RIM wieder. Das Leben gehe trotz der geringen Marktanteile weiter, sagte Heins. „Aber es ist schon so, dass dies ein ganz entscheidender Moment und Meilenstein für Research In Motion ist.“
Zugleich prüft RIM bereits seit Monaten alle Optionen für die Zukunft. Der Computer-Hersteller Lenovo, der sich bei mobilen Geräten verstärken will, schließt deshalb schon eine Übernahme von RIM nicht aus. „Wir sehen uns alle Gelegenheiten an - RIM und viele andere“, sagte Lenovo-Finanzchef Wong Wai Ming der Finanznachrichtenagentur Bloomberg.