Blog „Netzpolitik“ verfolgt NSA-Untersuchungsausschuss
Berlin (dpa) - Die Blogger von „Netzpolitik.org“ sind überzeugt und aufmüpfig. Beim NSA-Untersuchungsausschuss spielt das kleine Blog eine große Rolle. Aber auch andere Themen behalten die Datenschützer im Auge.
Geht es um den NSA-Untersuchungsausschuss, bleibt vieles geheim. Zeugen werden zum Teil hinter verschlossenen Türen befragt, Unterlagen sind oft als geheim eingestuft oder stark geschwärzt. Dennoch kamen brisante Informationen an die Öffentlichkeit, es ging um die Zusammenarbeit des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) mit der NSA. Daraufhin ermahnte das Kanzleramt die Abgeordneten im NSA-Ausschuss schriftlich. Sie sollten die Vertraulichkeit der Dokumente sichern, die der Ausschuss erhält. Besonders erwähnt wurden in dem Schreiben Medienberichte des „Spiegels“, der „Süddeutschen Zeitung“ und von „Netzpolitik.org“.
Es ist eine interessante Reihe: „Spiegel“ und „Süddeutsche“ gelten als Bollwerke im deutschen Investigativ-Journalismus. „Netzpolitik“ ist ein Blog, das mit zweieinhalb festen Autoren-Stellen in einer Berliner Dachgeschosswohnung erstellt wird.
Doch die Blogger von „Netzpolitik“ sind mit Internetaktivisten und Experten bestens vernetzt. Es gebe ein riesiges Netzwerk aus Kontakten, sagt Gründer Markus Beckedahl. „Jeder unterschätzt uns, wenn man uns nur auf diese zweieinhalb Personen oder nur auf meine Person reduziert.“ Neben Beckedahl sind die hauptamtlichen Schreiber Andre Meister sowie Anna Biselli mit einer halben Stelle, dazu kommen eine Handvoll weiterer Autoren.
Beckedahl begann als einer der ersten, die politischen Debatten rund um das Internet öffentlich zu notieren. „Netzpolitik.org hat diese Themen zu einer Zeit aufgegriffen, als sie für andere Medien noch unter dem Radar waren“, sagt Falk Steiner, der eng mit digitalen Themen vertraut ist und als Korrespondent im Hauptstadtstudio des Deutschlandfunk arbeitet.
Beckedahl sagt, er wolle „möglichst alles abdecken, was es da draußen rund um Netzpolitik gibt“. Das Blog solle eine Brücke zwischen Nerds und Netznutzern schlagen. Datenschutz, Urheberrecht, Überwachung oder Netzsperren gehören zu den Themen.
Den NSA-Untersuchungsausschuss verfolgt „Netzpolitik“ besonders intensiv. In mühsamer Arbeit erstellt Autor Andre Meister Protokolle der stundenlangen Zeugenaussagen. Eine Live-Übertragung gibt es nicht, Aufnahmen sind verboten. Meisters Mitschriften bieten einen der wenigen Wege für Außenstehende, die Befragungen im Detail zu verfolgen. „Netzpolitik“ veröffentlichte die vertraulichen Regeln, die der BND für Befragungen vor dem Ausschuss vorgibt.
Außerdem berichtete das Blog über die Sorge des BND, dass der Untersuchungsausschuss die Arbeit der BND-Abteilung zur Technischen Aufklärung besonders genau prüfen würde. Dazu veröffentlichte „Netzpolitik“ einen Ausriss des entsprechenden internen BND-Protokolls. Es waren diese beiden Berichte des Blogs, die Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) in seinem Brief an die Ausschussmitglieder anprangerte.
Die Reaktion der Blogger: Sie veröffentlichten auch den Brief von Altmaier im Wortlaut. „Uns liegen nicht nur Dokumente vor. Wir veröffentlichen sie auch“, verkündeten sie selbstbewusst. Man werde sich nicht einschüchtern lassen und weiter berichten. Gleichzeitig bat die Redaktion um Spenden. Diese Spenden finanzieren etwa zwei Drittel der Arbeit von „Netzpolitik“, sagt Beckedahl. Denn obwohl das Blog etwa eine Million Leser pro Monat habe, klappte eine Finanzierung über Werbung bisher nicht. Die Agentur Newthinking, die „Netzpolitik“ betreibt, verdient unter anderem Geld mit der Organisation von Veranstaltungen.
Die Blogger streiten oft mit Nachdruck und Fachwissen für ihre Überzeugungen. Auch im politischen Berlin wird die Seite verfolgt. Die Inhalte seinen „immer sehr relevant“, sagt der FPD-Netzpolitiker Manuel Höferlin. Er wünscht sich allerdings mehr Ausgewogenheit bei dem Blog, dessen politische Ausrichtung er bei den Grünen verortet. „Das würde die Seite noch interessanter machen.“ Es sei einfach, Politik aus Netzsicht zu kritisieren, sagt er. Doch diese Kritik sei manchmal überzogen.