Chinesische Hacker greifen US-Regierung an
Mountain View/Peking/Washington (dpa) - Die US-Regierung ist vermutlich Opfer eines Hackerangriffs aus China geworden. Dabei machten die Angreifer den Umweg über die privaten Postfächer der Regierungsmitarbeiter, wohl in der Hoffnung, dort Staatsgeheimnisse zu finden.
Sogar Beschäftigte des Weißen Hauses und damit aus der Umgebung von Präsident Barack Obama sind nach Informationen des „Wall Street Journal“ vom Freitag ausspioniert worden. Die Angreifer verschafften sich mit einem Trick Zugriff auf hunderte Konten des beliebten Google-Maildienstes Gmail. Sie erschlichen sich die Passwörter durch eine sogenannte Phishing-Attacke, bei der Internetnutzern vorgegaukelt wird, sie befänden sich auf einer offiziellen Website eines Unternehmens oder einer Behörde. In Wahrheit tippen die Nutzer ihre Kennung aber in das Formular der Datendiebe ein.
US-Außenministerin Hillary Clinton äußerte sich „sehr besorgt“, nachdem Google den Angriff am Mittwoch öffentlich angeprangert hatte. Zu den Geschädigten gehören demnach neben ranghohen US-Regierungsmitarbeitern auch chinesische Regimegegner, Journalisten, Militärs sowie Amtsträger aus Asien und hier vor allem aus Südkorea. Google unterband den Angriff und konnte die Spur bis nach China zurückverfolgen.
Die chinesische Regierung stritt allerdings jedwede Beteiligung vehement ab. „Es ist absolut inakzeptabel, China die Schuld für diese Probleme zuzuschieben“, sagte Außenministeriums-Sprecher Hong Lei am Donnerstag in Peking. „China ist schon immer gegen Internetkriminalität vorgegangen, auch gegen Hacker-Angriffe, und wird weiterhin mit aller Entschlossenheit durchgreifen.“
Nach Angaben von US-Regierungssprecher Jay Carney sind zwar keine Regierungsmails direkt betroffen. Allerdings, so gab das „Wall Street Journal“ zu bedenken, neigten einige Regierungsmitarbeiter verbotenerweise dazu, ihre privaten E-Mails für berufliche Zwecke zu nutzen. Dadurch wollten sie verhindern, dass ihr Schriftverkehr am Ende vor Untersuchungsausschüssen oder in Archiven lande.
Die Attacke ist nach den Erkenntnissen von Google aus der ostchinesischen Stadt Jinan heraus geführt worden. Dort gibt es sowohl einen Aufklärungsstützpunkt der Volksbefreiungsarmee als auch eine große IT-Schule, die dem Militär nahestehen soll und bereits zuvor durch Cyber-Attacken aufgefallen war. Kritiker werfen der Regierung in Peking vor, die Hacker mindestens zu dulden.
Dass die Angreifer aus China ausgerechnet die Nutzer von Gmail - das in Deutschland Googlemail heißt - attackiert haben, verschärft die Situation. Das Verhältnis zwischen dem Regime in Peking und dem weltumspannenden Internetkonzern ist ohnehin angespannt, seitdem Ende 2009 massive Hackerangriffe aus China heraus gegen Google und andere US-Konzerne gefahren wurden.
Möglich ist allerdings auch, dass der jüngste Vorfall gar keine politisch motivierte Attacke war, sondern die Eindringlinge sich beispielsweise die Kreditkartendaten der Opfer erschleichen wollten.
Für die Theorie, dass es sich um einen gezielten Spionageangriff handelte, sprechen jedoch andere Vorfälle der jüngsten Vergangenheit. So war der US-Rüstungskonzern Lockheed Martin, der größte Waffenlieferant der US-Armee, zum Ziel einer Cyber-Attacke geworden, wenngleich nach Firmenangaben letztlich keine Daten entwendet wurden. Das Pentagon stuft Hacker-Angriffe mittlerweile sogar als Kriegshandlung ein und droht mit realen Vergeltungsschlägen.
Google rief alle Nutzer von Gmail zur Wachsamkeit auf. Sie sollten ihre Konten auf ungewöhnliche Einstellungen etwa bei der E-Mail-Weiterleitung überprüfen und sichere Passwörter verwenden. Nachdem der Internetkonzern den Angriff aus China bemerkt hatte, sicherte er die betroffenen Postfächer und unterrichtete die Geschädigten sowie die Behörden. Die US-Bundespolizei FBI ermittelt.