Das Leben hacken - Alltagstricks aus dem Internet
Bremen (dpa) - Flecken entfernen, T-Shirts schnell falten, Obst einfach schälen - da wusste schon Oma Rat. Doch ihre Tipps waren wahrscheinlich nicht so cool wie die aus dem Internet. „Life hacking“ heißt der neue Trend.
Dave Hax hält eine Kiwi-Hälfte an ein Glas, zieht diese über den Rand nach unten - und zack, die Schale ist ab. Das Ganze wiederholt er mit einer Mango und einer Avocado. Zimmerwarme Limo taucht er in eine Schüssel mit Eiswürfeln und Salz. Siehe da: Nach zwei Minuten ist das Getränk erfrischend kalt. Ein T-Shirt faltet er sogar in weniger als zwei Sekunden. Einfach mit Daumen und Zeigefinger beider Hände fassen, klappen, drehen, fertig.
Wenn der Brite Mangos schält oder T-Shirts faltet, schauen das Tausende bei YouTube an. „Life hacking“ nennt man das, was er macht. Abgeleitet ist der Begriff vom Hacken aus der Computer-Szene. Es geht aber nicht darum, technische Systeme zu manipulieren. Vielmehr finden „Life hacker“ kreative Lösungen für Alltagsprobleme.
Im Internet ist Dave Hax damit in guter Gesellschaft. Unzählige Blogger interpretieren mit witzigen Videos und Fotos die Ratgeberliteratur neu. Manches davon erinnert stark an Omas gute alte Haushaltstricks. Andere Ideen wirken total verrückt. Egal wie, sie alle haben die gleiche Botschaft: Cool ist, wer sich zu helfen weiß. Wie TV-Held MacGyver halt, nur etwas moderner.
Wie bekommt man einen Kratzer aus dem schönen Holzstuhl? Oder wie wird die versalzene Suppe wieder genießbar? Ältere Jahrgänge müssen darüber oft gar nicht nachdenken. Sie wissen solche Dinge einfach, weil sie das zu Hause gelernt haben. Heute ist das jedoch alles andere als selbstverständlich. „In 80 Prozent der Haushalte findet diese Wissensvermittlung von Generation zu Generation nicht mehr statt“, sagt die Trendforscherin Karin Frick. Deshalb muss - wie immer, wenn man heutzutage etwas nicht weiß - das Internet herhalten.
Praktische Lebenshilfe findet sich dort in vielen Formen. Das „Life hacking“ ist eine relativ junge Bewegung, die sich selbst nicht ganz ernst nimmt. Die Ratschläge reichen von hilfreich bis banal. Der Bremer Kulturwissenschaftler Leif Kramp spricht von einem Pop-Phänomen, das ohne die sozialen Medien nicht denkbar wäre. „Die Beiträge werden schnell und effizient über Facebook, Twitter und Instagram geteilt und kommentiert.“
Entstanden ist die „Life hacking“-Szene in den USA. „Es gibt einige Vertreter, die das fast schon professionell machen“, sagt Kramp. Und die sich gegenseitig mit den kreativsten Ideen übertrumpfen. Manche davon sind so naheliegend, dass man sich fragt, wieso man nicht selbst darauf gekommen ist. Oder man hat sie selbst schon mal verwendet und wusste gar nicht, dass das ein „Life hack“ war. Die Homepage „9gag.com“ listet zum Beispiel die 20 besten Tricks für Studenten auf. Zum Beispiel: eine Klopapierrolle als Stiftehalter verwenden, einen alten Pizzakarton als Kehrblech benutzen oder einen Kuli, um ein Buch an einer bestimmten Stelle offen zu halten.
Andere Ratschläge sind dagegen deutlich ausgefeilter. Für das Picknick im Freien lässt sich aus einer Konservendose und Alufolie ein Grill basteln, eine Klopapierrolle und zwei Plastikbecher werden zur Mini-Lautsprecheranlage für das Smartphone. Ob man aber wirklich Kartoffeln im Geschirrspüler reinigen oder Spaghetti in der Kaffeemaschine kochen will, ist fraglich. „ Life hacks“ sind eben keine ernste Ratgeberliteratur. Sie sollen auch Spaß machen.