Dienst-Emails im Urlaub: Unternehmen steuern gegen
Stuttgart (dpa) - Im Urlaub die Emails checken und dem Chef nach Feierabend antworten: Für die meisten Arbeitnehmer ist ständige Erreichbarkeit mittlerweile selbstverständlich. Einige Unternehmen wollen das jetzt ändern.
Südfrankreich. Warmer Sommerabend. Schnuckeliges kleines Restaurant. Ungelesene Dienst-Emails: 153. Schnell mal reinklicken, könnte ja wichtig sein. „In Büro 2 ist die Toilette gesperrt.“ Nun ja. „Herr Meyer braucht den Geschäftsbericht bis morgen Abend.“ Ach so, das haben die Kollege nur zur Kenntnis durchgeschrieben. „Es gab eine Beschwerde über Sie.“ Waaas?
Das Essen ist inzwischen kalt - und die Erholung dahin. Schnell mal im Urlaub die Dienst-Mails beantworten oder nach Feierabend einen Anruf entgegennehmen, für die meisten Arbeitnehmer ist das Alltag. Einige große Unternehmen wollen die Überflutung mit Arbeitsanfragen in der Freizeit nun deutlich einschränken.
„Es zeigt sich schon jetzt, dass sich das Modell bewährt“, heißt es beim Betriebsrat des Autobauers Volkswagen. Seit gut einem Jahr schaltet VW Mitarbeitern mit einem Firmen-Smartphone nach Feierabend den Email-Eingang ab. Heißt: Von 18.15 Uhr bis 7 Uhr morgens können die Diensthandys keine Mails mehr empfangen.
Der Stuttgarter Autobauer Daimler will im kommenden Jahr nachziehen: Wer nicht im Dienst ist, kann seine Emails dann auf Wunsch automatisch löschen lassen. Am Strand den Posteingang prüfen? In die Versuchung käme dann niemand mehr. Nach dem Urlaub Hunderte ungelesene Mails abarbeiten? Nicht mehr nötig.
„Diese neue Spielregel zur E-Mail-Abwesenheit ist eine ganz wesentliche Maßnahme, damit unsere Belegschaft in Ruhephasen noch besser "abschalten" kann“, erklärt Personalvorstand Wilfried Porth. Einzige Voraussetzung: Ein Abwesenheitsassistent informiert den Absender über den zuständigen Vertreter und darüber, dass die Email vom Angeschriebenen nicht beantwortet werden kann.
„Wir sehen das als positive Entwicklung“, sagt eine Sprecherin der IG Metall. „Der psychische Druck auf die Mitarbeiter nimmt immer mehr zu und man muss Regelungen finden, um dem entgegenzuwirken.“ Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hatte jüngst betont, dass eine deutlichere Trennung von Arbeit und Freizeit nötig sei.
Das sehen viele Unternehmen so. Ganz so rigoros wie VW und Daimler gehen sie dabei allerdings nicht vor. Die Telekom etwa hat bereits seit Mitte 2010 eine Richtlinie zum Umgang mit Emails. Mitarbeiter sollen aber selbst entscheiden, ob sie in der Freizeit in den Posteingang schauen. Auch der Autozulieferer Continental hat dazu nach eigenen Angaben einen „Leitfaden mit Ratgeber-Charakter“.
„Nicht jede Mail, die nach "Feierabend" geschrieben wird, überfordert die Mitarbeiter“, schreibt Personalvorstand Marion Schick auf der Telekom-Homepage. „Als klug Führende mache ich mir aber bewusst, was sie eventuell beim Empfänger auslöst. Daher überlege ich mir einmal mehr, ob ich diese Mail nicht auf den nächsten Arbeitstag verschiebe.“
Bei Europas größtem Elektrokonzern Siemens hält man das ähnlich: „Niemand verlangt, Mails unterm Weihnachtsbaum zu checken“, sagt ein Sprecher. „Jeder Mitarbeiter ist mündig. Er sollte selbst entscheiden können, wann er die Medien nutzt und wann er sie abschaltet.“
Arbeitspsychologen stellen das zumindest infrage. „Meiner Meinung nach ist es eine Organisationsaufgabe des Arbeitgebers“, sagt Frank Brenscheidt von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. „Dinge, die fest geregelt sind, finde ich aus arbeitsrechtlicher Sicht gut.“ Allerdings müsse jedes System so offen sein, dass wirklich wichtige Informationen noch durchkämen.
Der Softwareriese SAP - der in seiner Branche ja nah am Thema Email ist - setzt dafür gezielt auf Online-Plattformen als Alternative. Dort könnten die Teams ihre Ergebnisse sichern, Diskussionen führen und Dokumente fortlaufend bearbeiten. Wer im Urlaub sei, bleibe außen vor und könne den Fortschritt bei Rückkehr einsehen - ohne ständigen Alarm im Smartphone.
Traurig, aber wahr: Manche bräuchten das ständige Piepen mittlerweile, sagt Brenscheidt. „Für viele ist es auch eine Frage der Wertschätzung.“ Wenn der Chef sich nach Feierabend noch einmal melde, hätten sie das Gefühl, gebraucht zu werden. Der Experte rät: „Lieber präventiv ein bisschen weniger machen als später ausgebrannt sein.“