Digitale Buchbinder: E-Books selbst gemacht
Berlin (dpa/tmn) - Nach der Erfindung des Buchdrucks in Europa waren Bücher jahrhundertelang einer kleinen Elite vorbehalten. Heute kann sie jeder lesen - und inzwischen sogar selbst veröffentlichen.
Internet und E-Books machen es möglich.
Drei Monate nach der Erdbeben- und Atomkatastrophe in Japan hat Matthias Matting das Land besucht. Seine Eindrücke hat der Münchener Journalist in einem Buch festgehalten, das Mitte Juli so schnell veröffentlicht war wie sonst nur einer seiner Magazinartikel. Denn Matting hat die „Reise nach Fukushima“ gleich selbst produziert, als E-Book. „Das ist auf jeden Fall eine interessante Alternative zum klassischen Weg, ein Buch über einen Verlag zu veröffentlichen“, sagt Matting.
Zur Erstellung eines E-Books muss das Manuskript meist in das E-Book-Format EPUB (Electronic Publication) umgewandelt werden. Eine häufig genutzte Software für den digitalen Buchbinder ist das kostenlose Programm Calibre für Windows, Mac und Linux. Matting betrachtet Calibre als „eine Art iTunes für E-Books“, aber für fast schon überdimensioniert, um ein Buch im EPUB-Format zu erstellen.
Er empfiehlt den E-Book-Editor Sigil, ein Open-Source-Projekt von Google, das es ebenfalls für alle gängigen Betriebssysteme gibt. Hier findet die eigentliche Formatierung des Buch-Layouts nicht im Textbearbeitungsprogramm statt, sondern nach dem Schreiben im E-Book-Editor. Man kann etwa den Buchtext über die Zwischenablage importieren, Überschriften und Text formatieren und Bilder einfügen.
Mac-Nutzer können alternativ die Apple-Textverarbeitung Pages verwenden - oder ein Werkzeug, das im Betriebssystem Mac OS X Lion zur Verfügung steht. Hier gibt es die Funktion „Text in EPUB-Datei“, die Texte zusammen mit Fotos und Videos in ein E-Book einbindet.
Wenn ein E-Book-Layout so präzise gestaltet werden soll wie ein klassisches Buch, bietet sich die Profi-Software Adobe Indesign an. Sie kostet 790 Euro, kann aber kostenlos getestet werden. Bei der Entwicklung der aktuellen Version 5.5 habe Adobe besonderes Augenmerk auf die Erweiterung der E-Book-Funktionen gelegt, sagt Adobe-Manager Ingo Eichel. So könne man mit Indesign nun Bilder und Grafiken an bestimmten Textstelle verankern und beim Export ins EPUB-Format Auflösung und Ausrichtung von Bildern bestimmen.
Gegenüber dem von Adobe sonst bevorzugten PDF-Format zeichnet sich EPUB vor allem dadurch aus, dass es schlanker ist und sich flexibel an unterschiedliche Bildschirmgrößen anpasst - vom Desktop-PC über das Tablet oder den E-Reader bis hin zum Smartphone. Die Leser eines EPUB-Buchs können die Schriftgröße verändern. Zwar erreicht EPUB nicht die pixelgenaue Darstellung von PDF. Weil EPUB aber auf Webstandards wie HTML oder XML beruhe, erklärt Eichel, biete HTML5 interessante Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Formats.
Eine eigene E-Book-Welt jenseits von EPUB hat der Online-Händler Amazon errichtet: E-Books im Kindle-Format lassen sich nur auf dem gleichnamigen E-Reader oder mit der Software für PC, Mac und mobile Geräte lesen. Im April hat Amazon auch in Deutschland sein Programm Kindle Direct Publishing gestartet, mit dem man eigene E-Books für den Kindle-Shop erstellen kann. Das Programm werde seitdem rege genutzt, sagt Amazon-Sprecherin Christine Höger.
Amazon biete den einfachsten Weg zum E-Book-Publishing, glaubt Matting. Beim Hochladen des Buchs wird das Word-Format ebenso akzeptiert wie PDF oder mehrere gezippte HTML-Dateien. „Auch braucht man keine ISBN, man kann ganz schnell ein Buch veröffentlichen, etwa das, was man schon auf der Festplatte hat“, sagt Matting. Eine andere Veröffentlichungs- und Verkaufsplattform ist das von der Verlagsgruppe Holtzbrinck betriebene Portal Epubli.
Für die Kindle-Plattform hat Matthias Matting ein Handbuch geschrieben: „Das hat sich gut verkauft, ungefähr 3000 Mal im Monat“. Wie in Apples iBookstore gehen 70 Prozent der Verkaufserlöse an den Autor. Wenn man ein Buch in den iBookstore stellen will, benötigt man allerdings neben der ISBN auch eine US-Steuernummer (TIN). Es dauere etwa drei Monate, bis der Antrag dafür bearbeitet sei, erklärt Matting.
Auch bei Epubli kann man eine ISBN bestellen, dann wird das E-Book zusätzlich bei Amazon und im iBookstore eingestellt. Von Verkäufen dort bleiben dem Autor 60 Prozent, von Verkäufen direkt bei Epubli 80 Prozent. Jährlich kostet der Service knapp 20 Euro. Wer dagegen nur bei Epubli veröffentlicht, zahlt keine Gebühren und erhält 80 Prozent der Verkaufserlöse.
Wichtig bei E-Books ist die Preisgestaltung. Er habe einmal versucht, ein Buch für 4,99 statt für 2,99 Euro anzubieten, sagt Matting. Das sei dann beim Verkauf sehr viel schwieriger gewesen. In den USA haben es schon einige Autoren geschafft, ohne jeden Verlag mit eigenen E-Books groß herauszukommen. So hat etwa John Locke mehr als eine Million E-Books für den Kindle verkauft - und gleich einen Ratgeber dazu geschrieben: „How I Sold 1 Million eBooks in 5 Months!“ In Deutschland aber ist das bislang kaum vorstellbar, wie Matting sagt: „Hier ist der Markt um den Faktor 1 zu 100 kleiner.“