Ein Jahr nach Megaupload-Razzia: Kim Dotcom ist guter Dinge
Auckland (dpa) - Megaupload ist Geschichte, das persönliche Schicksal seines schillernden Gründers Kim Dotcom aber ist ebensowenig entschieden wie der künftige Umgang mit solchen Daten-Plattformen im Internet.
Am Sonntag jährt sich die Razzia auf dem Anwesen Dotcoms in Neuseeland zum ersten Mal.
Der schillernde Internet-Unternehmer muss weiter die Auslieferung in die USA fürchten - die Anhörung dafür wurde auf den 12. August verschoben. Unterdessen will er am kommenden Sonntag seinen „Mega“-Dienst neu starten. „Wir haben nichts illegales gemacht“, beteuerte der Internet-Unternehmer abermals in einem dpa-Gespräch zum Jahrestag.
Einen größeren Polizeieinsatz als den vom 20. Januar hat die kleine Ortschaft Coatesville nördlich von Auckland wohl nie erlebt. In enger Zusammenarbeit mit der US-Bundespolizei FBI schlugen die Behörden in der Nacht vor dem 38. Geburtstag Dotcoms zu - so konnten sie sicher sein, dass alle Mitbeschuldigten anwesend sein würden. Dotcom und drei Mitarbeiter wurden mit der Waffe im Anschlag verhaftet. 70 Beamte durchsuchten das ausgedehnte Anwesen und stellten Gegenstände und Geld im Wert von sechs Millionen neuseeländischen Dollar (etwa 3,7 Mio Euro) sicher. Darunter waren auch Computer, Gemälde und mehrere Luxusautos - ein Rolls-Royce Baujahr 2008, ein Lamborghini aus dem Jahre 1989 und ein neuer Maserati, auf den Nummernschildern klare Signale wie „CEO“ (Vorstandschef), „HACKER“ oder „GUILTY“.
Die Razzia im Stil einer Kommando-Aktion galt der Web-Plattform Megaupload, die einmal auf Platz 14 der meistbesuchten Websites stand und über die zeitweise vier Prozent des gesamten weltweiten Internet-Datenverkehrs liefen. Megaupload stellte seinen Nutzern - nach eigenen Angaben waren das rund 50 Millionen am Tag - Server zur Verfügung, auf die alle möglichen Dateien kostenlos hochgeladen werden konnten. Das waren persönliche Fotoalben ebenso wie urheberrechtlich geschützte Musik oder Filme. Wurde etwa ein Film bei Megaupload hochgeladen, erstellte der sogenannte File-Hoster einen Link, der weiterverbreitet werden konnte.
Für bevorzugte Verbindungen beim Download der Daten kassierte das Unternehmen Geld. Außerdem zeigte Megaupload Online-Anzeigen im Umfeld der Download-Links. Allein 2010 soll Megaupload so nach Angaben der US-Ermittler mehr als 42 Millionen Dollar eingenommen haben.
Die von den USA gewünschte schnelle Auslieferung mit einem anschließenden Prozess unter anderem wegen massiver Urheberrechtsverletzungen kam aber nicht zustande. Der gebürtige Deutsche - als Kim Schmitz einst in der frühen Aufbruchsstimmung der jungen Internet-Wirtschaft unterwegs - steht nach einmonatiger Haftzeit weiter unter Hausarrest und hält sich in einem Gebäude neben dem von ihm gemieteten Anwesen in Coatesville auf.
Die Behörden in Neuseeland stellten Dotcom zuerst als einen flüchtigen Kriminellen dar. Dann aber wurde bekannt, dass er entgegen der geltenden Rechtslage vom neuseeländischen Nachrichtendienst GCSB (Government Communications Security Bureau) ausgespäht wurde - als leidenschaftlicher Computerspieler hatte Dotcom bemerkt, dass seine Hochgeschwindigkeitsverbindung ins Internet immer langsamer wurde und fragte nach den Ursachen.
Dotcom hat es geschafft, dass die Bespitzelung vom Gericht ebenso für illegal erklärt wurde wie die Razzia vom 20. Januar. Es räumte ihm auch die Möglichkeit ein, deswegen gegen den GCSB und die neuseeländische Polizei vorzugehen. So konnte Dotcom auch etliche Vermögenswerte zurückerlangen. Er verkaufte einige Autos, um seine Anwaltskosten zu begleichen und seine Frau und die fünf Kinder zu versorgen. „Es sollte keine Auslieferung geben“, sagt Dotcom. Notfalls sei er aber auch bereit, sich gegen die Vorwürfe in den USA zu verteidigen.
Der Fall hat auch die neuseeländische Regierung belastet. Der für den GCSB zuständige Ministerpräsident John Key entschuldigte sich öffentlich. Der Regierungschef habe den Fall völlig falsch in die Hand genommen, sagte Jacinda Arden von der Arbeiterpartei der Nachrichtenagentur dpa. Die Oppositionspartei fordert eine unabhängige Untersuchung. Inzwischen geht es nicht mehr nur um Megaupload und Kim Dotcom, sondern um den Schutz der Privatsphäre und die Fähigkeit Neuseelands, politischem Druck aus den USA zu widerstehen.
Dotcom ist guter Dinge. Der schwergewichtige Unternehmer spielte in Auckland den Weihnachtsmann, spendete Geld für Wohlfahrtsorganisationen und versprach allen Neuseeländern einen freien Internetzugang. Im September kündigte er den baldigen Start einer neuartigen Musik-Plattform namens Megabox an. Sich als Rapper stilisierend veröffentlicht Dotcom immer wieder Songs und Videos im Internet und zieht bei Twitter über die USA her. Dort warf sein Anwalt Ira Rothken dem US-Justizministerium vor, den Gerichten wesentliche Fakten vorenthalten zu haben.
Letztlich ist es die bei Megaupload verwendete Technik, die es den Ermittlern schwer macht, den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung nachzuweisen. Es könne kaum in jedem Fall gesagt werden, wo ein solcher Rechtsverstoß vorliege, sagte Ben Cain von der neuseeländischen Anwaltskanzlei James & Wells. Wenn Megaupload eine reine technische Plattform für den Austausch von Daten gewesen sei, könnte es sein, dass Dotcom nicht haftbar gemacht werden könnte.