Elektronische Buchhandlungen sammeln Daten über Leser
Berlin (dpa/tmn) - Die meisten Menschen mögen es nicht, wenn ihnen jemand beim Lesen über die Schulter schaut - bei E-Books merken sie es gar nicht erst. Und doch wissen viele elektronische Buchhändler ganz genau, wer was wie lange liest.
E-Book-Reader speichern ganze Bibliotheken auf engstem Raum. Gleichzeitig sammeln die Betreiber von Online-Buchläden aber auch Daten über ihre Besucher - oder räumen sich zumindest entsprechende Rechte ein. „Da wird die gesamte Nutzung protokolliert“, sagt Christian Gollner von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Welche Daten das genau sind, verrät ein Blick in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und Datenschutzbestimmungen der Händler.
Viele Anbieter speichern demnach zum Beispiel nicht nur Titel und Verfasser gekaufter Bücher, sondern auch das dafür genutzte Gerät, Markierungen und Lesezeichen. Entsprechende Klauseln finden sich bei einem Großteil der Händler. Zumindest in den USA erlauben sich außerdem fast alle Plattformen, Suchanfragen und Einkäufe der Nutzer zu speichern, zeigt eine Übersicht der Datenschutzorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF). Ob dabei auch das Leseverhalten analysiert wird, ist in vielen Fällen unklar.
Noch mehr Gelegenheit zur Datensammelei gibt es, wenn ein Online-Buchhändler mehr als nur Bücher anbietet: Amazon hat zum Beispiel den neuen „Send it to Kindle“-Button für Webseiten vorgestellt. Wird dieser auf einer Seite angezeigt, können Nutzer sich Artikel und andere Texte auf ihren Kindle schicken lassen, müssen sich dafür aber bei Amazon einloggen.
Aus den gesammelten Daten können die Buchhändler Profile erstellen. Zunächst geht es dabei meistens um personalisierte Werbung, sagt Christian Gollner. „Im Grunde versuchen die Firmen, sich wie ein Buchhändler vor Ort zu verhalten. Der kennt ja auch irgendwann Ihre Vorlieben“, erklärt der Verbraucherschützer. Allerdings geben Verbraucher dabei ungewollt recht viel über sich preis: „Im Grunde entstehen da detaillierte Verhaltensprofile.“ So könnten die Anbieter zum Beispiel protokollieren, zu welcher Zeit ihr Kunde besonders gerne liest und welche Stellen er öfter gelesen hat.
Wer nicht so viel über sich verraten will, sollte vor dem Kauf das Kleingedruckte eines Anbieters gründlich studieren. Wichtig ist dabei unter anderem, ob der Händler die Daten weitergeben darf. Denn dann kommt die personalisierte Werbung vielleicht nicht mehr nur vom Händler selbst, Leser von Reiseführern werden also zum Beispiel mit Werbung für günstige Urlaubstouren überhäuft. Manche Anbieter geben ihren Nutzern zumindest die Möglichkeit, dem Datenhandel zu widersprechen. „Da würde ich dann auf jeden Fall Gebrauch von machen“, sagt Gollner.
Oft können Kunden im E-Book-Reader oder einer App auch selbst auswählen, welche Daten gespeichert werden sollen und zum Beispiel Markierungen oder Lesezeichen abschalten. Und wer wissen will, was ein Anbieter alles über ihn weiß, kann dort um Auskunft bitten - die Kontaktdaten verrät das Impressum auf der Webseite. E-Books ganz ohne Datensammelei gibt es im Netz ebenfalls, wenn auch nur vereinzelt. Unter orgenlibrary.org können Nutzer zum Beispiel Klassiker ohne Kopierschutz kostenlos herunterladen - in der Regel allerdings nur auf Englisch.