Facebook startet Börsengang

New York/Berlin (dpa) - Facebook steht vor dem größten Börsengang des Internet-Zeitalters. Dem gerade mal acht Jahre jungen Sozialen Netzwerk wird von der Wall Street ein Wert zugemessen, der es schlagartig in die Spitzenliga der weltgrößten Konzerne katapultiert.

Das Kapital von Facebook sind seine Nutzer - mittlerweile mehr als 845 Millionen an der Zahl, wovon mehr als die Hälfte sogar täglich vorbeischauen. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) forderte von Facebook am Donnerstag prompt mehr Anstrengungen beim Datenschutz.

Facebook hat am späten Mittwoch seinen rund 200 Seiten starken Börsenprospekt veröffentlicht. Das ist für jedes Unternehmen der erste Schritt auf dem Weg an die Börse. Einen Termin für den eigentlichen Gang aufs Parkett gibt es indes noch nicht; Experten rechnen damit für Mai oder Juni. Auch der Preis für die Aktien wird erst dann festgelegt.

Die Unterlagen sind dennoch spannend. Sie geben erstmals einen detaillierten Einblick in das Innenleben des Senkrechtstarters. Es zeigt sich: Facebook wächst weiterhin rasant und ist hochprofitabel; die Nutzer sind umtriebiger als erwartet; und Gründer Mark Zuckerberg ist mächtiger als man denkt. Er hält 28 Prozent der Anteile und sogar 57 Prozent der Stimmrechte, weil andere Anteilseigner ihm ihre Stimmen übertragen haben.

Dem 27-Jährigen geht es nach eigener Auskunft aber nicht darum, möglichst reich zu werden. Zuckerberg schrieb in einem Brief, der den Antrag begleitet: „Facebook wurde ursprünglich nicht gegründet, um ein Unternehmen zu sein. Es wurde aufgebaut, um eine soziale Mission zu erfüllen - die Welt offener und vernetzter zu machen.“ Der Gründer brachte es auf eine einfache Formel: „Wir entwickeln keine Dienste, um Geld zu machen; wir verdienen Geld, um bessere Dienste zu entwickeln.“

Facebook will bei seinem Börsengang nach aktuellem Stand 5 Milliarden Dollar einnehmen. Dabei verkaufen Zuckerberg und die anderen Besitzer aber nur einen Teil ihrer Aktien, die weitaus meisten behalten sie. Insgesamt wird Facebook in US-Medien auf einen Wert von 75 bis 100 Milliarden Dollar taxiert. Damit spielt das Soziale Netzwerk in einer Liga mit deutschen Großkonzernen wie Siemens oder VW. Selbst in den USA sind nicht mal 30 Unternehmen mehr wert als Facebook.

Mit seinen Zahlen würde Facebook den Börsengang von Google im Jahr 2004 in den Schatten stellen. Damals hatte der Suchmaschinenprimus 1,7 Milliarden Dollar eingenommen. Zusammen mit den Anteilen, die bei den Alteigentümern verblieben, wurde Google mit 23 Milliarden Dollar bewertet. Bis heute sind daraus 189 Milliarden Dollar geworden. Wertvollstes Unternehmen der Welt ist momentan Apple mit 425 Milliarden Dollar.

Die hohe Bewertung von Facebook erstaunt, wenn man sich die Geschäftszahlen anschaut: Der Umsatz lag im vergangenen Jahr gerade mal bei 3,7 Milliarden Dollar, als Gewinn blieben unterm Strich 1 Milliarde Dollar übrig. Soviel Geld hatte Apple während des Weihnachtsquartals in einer Woche verdient. Doch Facebook wächst rasant - und das macht das Unternehmen für Anleger interessant. Alleine von 2010 auf 2011 legte der Umsatz um 88 Prozent zu, der Gewinn um 65 Prozent.

85 Prozent der Einnahmen stammen aus Werbung, jedoch werden Spiele immer wichtiger. Facebook bekommt einen Anteil, wenn die Nutzer etwa bei der Bauernhof-Simulation „Farmville“ virtuelle Güter kaufen. So steuert der Spieleentwickler Zynga stolze 12 Prozent der Einnahmen von Facebook bei.

Facebook war allerdings zuletzt immer wieder wegen Bedenken um den Datenschutz in die Schusslinie geraten. So erregte die neue Facebook „Chronik“ (im englischen „Timeline“) Anstoß. Bei dieser Funktion werden alle Informationen angezeigt, die man je bei Facebook eingestellt hat.

Verbraucherministerin Aigner sieht Facebook jetzt beim Datenschutz noch mehr in der Pflicht. „Als börsennotiertes Unternehmen muss Facebook umso mehr den Anspruch erfüllen, sich an Recht und Gesetz zu halten - und zwar nicht nur in den USA, sondern auch auf wichtigen Auslandsmärkten wie Deutschland“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Bisher habe Facebook schon viele Datenschutzverbesserungen angekündigt, aber nur Weniges eingelöst. Aigner ist schon lange als scharfe Facebook-Kritikerin bekannt.

Auch die Börsianer schauen mit Argusaugen auf die Datenschutz-Problematik, schließlich sind die Nutzer hellhörig, wenn es um ihre persönlichen Informationen geht. Facebook kann es sich nicht leisten, sie zu vergrätzen.

Momentan stehen die Zeichen jedoch auf Wachstum. Auch das genannte Volumen des Börsengangs von 5 Milliarden Dollar kann im Laufe der kommenden Monate noch steigen. Erwartet worden waren ursprünglich 10 Milliarden Dollar. Es ist aber üblich, dass Firmen tiefstapeln, dann die Reaktion der Investoren abwarten und - falls genügend Nachfrage besteht - später den Preis erhöhen.

Bis zum eigentlichen Börsengang wird Facebook noch viele Informationen nachreichen. Dann wird auch feststehen, von wie vielen Anteilen sich Zuckerberg selbst trennt. Er hält Aktien der Klasse B mit zehn Stimmen, während Anleger beim Börsengang A-Aktien mit nur einer Stimme erhalten werden.

Damit hat Zuckerberg auch künftig das Sagen bei seinem Baby Facebook. Er hatte sich überhaupt lange gegen einen Börsengang gesperrt. Mehrfach schlug er milliardenschwere Kaufangebote aus, zuletzt vom Internetriesen Google. Die Taktik scheint sich gelohnt zu haben: Wie es ausschaut, macht der Börsengang Zuckerberg zu einem 28-fachen Milliardär.