Facebook: Zar Zuckerberg muss teilen
New York (dpa) - Gut 900 Millionen Nutzer, fast 100 Milliarden Dollar wert: Facebook ist längst eine Supermacht im Internet. Und nun mutiert das soziale Netzwerk auch noch zum Börsenstar.
Die beiden Welten vertragen sich jedoch nicht immer: Die Internetnutzer streben nach Freiheit, die Wall-Street-Bewohner nach dem ganz großen Geld. Kann es Facebook-Gründer Mark Zuckerberg auch nach dem Gang an die Börse gelingen, seine heile Welt zu verteidigen?
Vorerst hat es Zuckerberg mit seinen 27 Jahren geschafft, an den gerissenen Finanzhaien vorbei seine nahezu absolute Kontrolle über das weltgrößte Online-Netzwerk zu bewahren. Auch nach dem Börsengang werden 57 Prozent der Stimmen bei Aktionärstreffen auf sein Kommando hören.
Das heißt: Keine wichtige Weichenstellung, keine Personalentscheidung - nichts kann an ihm vorbei entschieden werden. Ein Debakel, wie es einst Apple-Gründer Steve Jobs erlebte, als er 1985 aus seiner eigenen Firma rausgeschmissen wurde, kann Zuckerberg damit nicht passieren.
Dass Zuckerberg keine Hemmungen hat, von seiner fast schon königlichen Macht Gebrauch zu machen, bewies er erst wieder vor einem Monat. Binnen weniger Tage fädelte er praktisch im Alleingang die Übernahme des Fotodienstes Instagram ein - und ließ die atemberaubende Summe von rund einer Milliarde Dollar für das kleine Unternehmen springen. Selbst der Facebook-Verwaltungsrat, in dem ohnehin nur handverlesene Vertraute sitzen, wurde laut US-Medienberichten erst informiert, als der Deal praktisch schon in trockenen Tüchern war.
In den meisten Unternehmen - schon gar nicht in börsennotierten - wäre so etwas unmöglich. Rechtsabteilung, Buchhalter, Kontrolleure: Alle hätten ein Wörtchen mitzureden. Die Frage ist nun, ob es nicht auch bei Facebook das letzte Mal war, dass Zar Zuckerberg so beherzt aus dem Bauch heraus agieren konnte. Schließlich wird er nach dem Börsengang seinen Anlegern Rechenschaft schuldig sein. Und die haben extrem hohe Erwartungen, wie das überschwängliche Interesse für die Facebook-Aktien zeigt.
Solange Facebook und Zuckerberg Quartal für Quartal mehr Umsatz und Gewinn heraushämmern, wird die Börse dem jungen Chef freie Hand lassen und vieles verzeihen. Doch was passiert, wenn das Wachstum stockt, wenn Facebook an natürliche Grenzen stößt (es ist ja jetzt schon nahezu jeder achte Erdbewohner drin) oder wenn die Menschen am Ende die Begeisterung für das Teilen in Zuckerbergs Datenmaschine verlieren? Werden die Investoren dann Facebook bedrängen, seine Nutzerdaten aggressiver zu vermarkten, um die Profite zu steigern? Wird der junge Gründer seinen Kurs auch durchfechten können, wenn der Aktienkurs sinkt?
Erste Anzeichen, dass das fulminante Wachstum abflacht, gibt es bereits. Die wichtigen Werbeeinnahmen stiegen zu Jahresbeginn nicht mehr in dem Tempo an, wie es Facebook gewohnt war. Gleichzeitig steckte Zuckerberg mehr Geld ins Marketing und in neue Funktionen für das Netzwerk. Das alles schmälerte den Gewinn. Und fette Gewinne sind es, die Investoren sehen wollen. Am Ende des Tages zählt an der Börse nur eines: Geld, Geld, Geld.
Zuckerbergs Welt sieht anders aus. „Facebook wurde ursprünglich nicht gegründet, um ein Unternehmen zu sein. Es wurde aufgebaut, um eine soziale Mission zu erfüllen - die Welt offener und vernetzter zu machen“, erklärte er in einem „Hacker-Manifest“, das Teil des Börsenprospekts wurde, mit dem Facebook sich bei seinen künftigen Investoren vorstellte. Doch Zuckerberg ist gewieft genug, um die Brücke zur Wall Street zu schlagen: Er habe früh eingesehen, dass man Geld brauche, um die Welt zu verändern, schob er hinterher.
Wenn Facebook voraussichtlich am 18. Mai und damit vier Tage nach Zuckerbergs 28. Geburtstag an die Börse geht, wird der Aufsteiger seinen Platz im Klub der Superreichen eingenommen haben: Seine Aktien dürften zum Börsengang rund 17,6 Milliarden Dollar wert sein.
Von diesem gewaltigen Vermögen will sich Zuckerberg aber nicht korrumpieren lassen. Er ließ in einem Video für Investoren keinen Zweifel daran, dass er seine Mission als Weltvernetzer fest im Blick hat: „Wir werden einen Punkt erreichen, an dem jede App, die Sie nutzen, auf irgendeine Weise mit Facebook verbunden sein wird.“ Solange sich das in klingender Münze auszahlt, wird die Wall Street ganz auf seiner Seite sein.