Feature: Boom bei Privatübernachtungen übers Netz

Berlin (dpa) - Heiße kalifornische Luft stand am Anfang einer Geschäftsidee, die inzwischen für Millionen gut ist: Als im Oktober 2007 alle Hotels in San Francisco wegen einer Designer-Konferenz ausgebucht waren, bliesen Brian Chesky und Joe Gebbia drei Luftmatratzen auf.

Sie luden gleich auf einer Website zum „Air Bed and Breakfast“ ein (air bed ist die englische Bezeichnung für Luftmatratze). Inzwischen hat die daraus entstandene Plattform Airbnb mehr als 1,6 Millionen Buchungen abgewickelt - längst nicht mehr allein auf der Luftmatratze. Und die deutschen Konkurrenten 9flats und Wimdu suchen mit ähnlichen Portalen den Erfolg.

Wie das Konzept funktioniert, sieht man am Beispiel von Aaron Rosen. Der 29-Jährige hat eine Zwei-Zimmer-Wohnung im Berliner Bezirk Neukölln. Das Wohnzimmer bietet er seit zwei Monaten bei Airbnb für 40 Euro die Nacht an - weitere zehn Prozent zahlt der Gast an das Portal. Sechs Besucher hat Rosen schon bei sich gehabt. Und mit einem Paar aus Sydney habe er richtig Freundschaft geschlossen, sagt Rosen. Hat er keine Sorge, da einmal an die Falschen zu geraten? „Ich verlasse mich ganz auf mein Gefühl“, antwortet der Berliner. „Das hat mich noch nicht enttäuscht. Und das Vertrauen beruht ja ganz auf Gegenseitigkeit.“

Gastgeber können bei jeder Reservierungsanfrage selbst entscheiden, ob sie diese annehmen oder nicht. Nutzerprofile mit Bewertungen sollen beiden Seiten einen Eindruck voneinander geben. Bei Unstimmigkeiten hilft ein Moderator von Airbnb - im Unterschied zum kostenlosen Übernachten über das Non-Profit-Portal Couchsurfing verspricht das Unternehmen den Mitgliedern seiner Community verlässlichen Service. Dafür nimmt es eine Provision. Ähnlich sind auch die Konkurrenzangebote Wimdu und 9flats aufgestellt.

Das Konzept kommt an. „Wir haben mehr Buchungen in New York als das größte Hotel der Stadt“, sagt Airbnb-Gründer Chesky. „Und bis Sommer 2012 wollen wir größer sein als die weltweite Hilton-Kette.“ Fast 100 000 Gastgeber bieten nach Firmenangaben eine Unterkunft an. Wimdu erklärt, 10 000 Wohnungen im Angebot zu haben.

Investoren gefällt die Geschäftsidee offenbar. Airbnb sicherte sich im Mai eine Finanzierungsrunde von 100 Millionen Dollar. „Wir haben genug Geld, um schnell zu wachsen“, sagt Airbnb-Gründer Chesky im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. „Und Größe ist wichtig, um ein globales, unabhängiges Unternehmen sein zu können.“ Wimdu zog kürzlich nach und gab bekannt, von den bisherigen Kapitalgebern zusätzliche 90 Millionen Dollar zu erhalten. 9flats wartet nicht mit so großen Zahlen auf, versichert aber, dass seine namhaften Finanziers tiefe Taschen hätten.

Geld allein werde den Wettbewerb nicht entscheiden, meint Christian Leybold vom Investor BV Capital, der an 9flats beteiligt ist. Die hohen Zahlen der Konkurrenten seien lediglich ein „Armdrücken“: „Wir müssen uns von dem Gedanken lösen, dass derjenige, der am meisten investiert, gewinnt. Keiner der Player hat das klassische Startup-Problem, dass Geld fehlt.“

Er sieht andere Herausforderungen: Die Suche nach geeignetem Personal, wenn man ein neues Land erschließt; den Aufbau einer Community mit Vermietern, die immer wieder Wohnungen anbieten, und Reiselustigen, die immer wieder über das Portal buchen; und nicht zuletzt die nutzerfreundliche Gestaltung der Website. „Die Kundenzufriedenheit muss im Fokus und im Zweifelsfall über dem Wachstum stehen.“

Größe ist trotzdem wichtig - jeder will seine Marke in den Köpfen der Verbraucher etablieren, gewissermaßen zum Ebay für Wohnungsvermietung werden. Airbnb wirft den Konkurrenten vor, sein Konzept abgekupfert zu haben. Brian Chesky gibt sich aber zumindest äußerlich gelassen: „Die Pixel auf einer Webseite kann man einfach kopieren. Aber es ist schwer, Liebe und Leidenschaft zu kopieren.“

Einig sind sich die Macher zumindest in einem Punkt: Sie wollen die Art verändern, wie Menschen verreisen. Sollte ihnen das gelingen, könnte ihr Geschäftsmodell den üppigen Vertrauensvorschuss der Investoren rechtfertigen: Allein in der EU verbrachten Reisende im vergangenen Jahr rund 1,6 Milliarden Übernachtungen in Mietsunterkünften wie Hotels und Apartments.