Gericht statt Internet: Prozess gegen Macher von Kino.to

Leipzig (dpa) - Neun Monate nach der Razzia beim Internet-Filmportal kino.to muss sich nun ein mutmaßlicher Drahtzieher wegen massenhafter Verletzung des Urheberrechts vor Gericht verantworten.

Über den Einzelfall hinaus ist das Verfahren auch mit Blick auf die anhaltende Debatte über eine Anpassung des Urheberrechts an die veränderten Bedingungen im Internet von Bedeutung. Der Fall kino.to ist für die Musik- Film- und Verlagsbranche ein Menetekel - rund sieben Prozent aller Internet-Nutzer in Deutschland laden illegal urheberrechtlich geschützte Inhalte herunter, wie aus einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hervorgeht. Die drei Verbände der Branchen beklagen, dass 24 Prozent der Bevölkerung das Ansehen von aktuellen Kinofilmen auf Plattformen wie kino.to für rechtlich erlaubt halten.

Die Verbände fordern deswegen wirksame Maßnahmen zur Stärkung des Urheberrechts. Kritiker warnen jedoch vor einer Einschränkung von Freiheitsrechten im Internet. Sie finden Anklang in großen Teilen der Bevölkerung, wie im Februar die Demonstrationen gegen das internationale Acta-Abkommen gezeigt haben.

In Leipzig sind Nach dem Prozessauftakt am Dienstag zunächst vier weitere Verhandlungstage eingeplant. Der Angeklagte soll von 2009 bis Mitte 2011 in mehr als 1,1 Millionen Fällen Kopien von urheberrechtlich geschützten Filmen, Dokumentationen und Fernsehserien im Internet zugänglich gemacht haben. Der Mann befindet sich in Untersuchungshaft. Bei einer Verurteilung sieht das Gesetz laut Gericht bis zu fünf Jahre Haft vor. Über die Zulassung einer weiteren Anklage gegen einen der Kino.to-Betreiber wurde noch nicht entschieden.

Anfang Dezember wurde bereits in einem vierten Verfahren vor dem Amtsgericht Leipzig ein 33-jähriger Webdesigner wegen Mitarbeit bei kino.to zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sprach ihn der gewerbsmäßigen unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke in mehr als 1,1 Millionen Fällen schuldig. Das Urteil ist rechtskräftig.

Der Mann hatte ein Geständnis abgelegt und damit nach Einschätzung des Gerichts entscheidend zur Aufklärung des Falls beigetragen. „Es ging bei kino.to rein darum, Geld zu machen“, sagte Richter Mathias Winderlich in seiner Urteilsbegründung. Die Betreiber des Portals hatten Millionen-Umsätze mit Online-Werbung erzielt.

Bei kino.to waren zuletzt mehr als eine Million Links auf geschützte Werke aus Film und Fernsehen zugänglich, monatlich kamen etwa 131 000 hinzu. Die mutmaßlichen Drahtzieher des illegalen Netzwerkes saßen in Leipzig. Auf Konten fanden die Ermittler rund 2,5 Millionen Euro. Das Geld wurde beschlagnahmt. Insgesamt gab es 13 Festnahmen.

Das Vorgehen gegen kino.to zeige, dass das Urheberrecht durchaus wirksam bei Verstößen im Internet sei, sagt der Kölner Fachanwalt Dieter Frey. Wenn es wirklich zu Rechtsverletzungen komme, gebe es auch heute schon die geeigneten Instrumente. „Das heißt aber nicht, dass man anfängt, die gesamte Internet-Kommunikation zu torpedieren“, fügte Frey mit Blick auf die Diskussion über Internetsperren hinzu. Diese seien rechtswidrig, weil sie einen Verstoß gegen das im Grundgesetz verankerte Telekommunikationsgeheimnis darstellten, heißt es in einem Gutachten, das Frey zusammen mit Kollegen in der vergangenen Woche veröffentlicht hat. Zum Urheberrecht sagte Frey: „Das ist Work in Progress, man kann nicht still stehen, das muss sich weiterentwickeln.“