iPhone-Präsentation: Schafft Apple die Kopfhörer-Buchse ab?
San Francisco (dpa) - Es ist September - und in der Apple-Welt heißt das: Zeit für neue iPhone-Modelle. Im Vorfeld der Präsentation am Mittwoch (ab 19.00 Uhr) schießen die Spekulationen ins Kraut, wie sehr Apple von seinen üblichen Gewohnheiten abweichen wird.
Erstmals seit dem iPhone 3G von 2008 fällt Apple laut Medienberichten aus dem Rhythmus, alle zwei Jahre das Aussehen des Geräts zu erneuern. Das neue Modell soll stattdessen das Aussehen der aktuellen 6er-Reihe weitgehend behalten. Mit einer Ausnahme, die für viel Aufregung sorgen könnte: Apple verzichtet den Informationen zufolge als erster Smartphone-Anbieter auf den üblichen Klinkenstecker für Ohrhörer.
Stattdessen solle als Buchse Apples hauseigener „Lightning“-Anschluss genutzt werden, über den die Geräte zum Beispiel auch aufgeladen werden, berichteten unter anderem das „Wall Street Journal“ und der Finanzdienst Bloomberg. Damit die vielen Kopfhörer mit klassischen Steckern nicht auf einen Schlag nutzlos für Käufer neuer iPhones werden, werde es eventuell einen Adapter geben, hieß es unter Berufung auf informierte Personen.
So das schon seit Monaten umhergehende Gerücht stimmt, warum macht Apple das? Schließlich dürfte die Empörung über ein „Ohrhörer“- oder „Stecker-Gate“ programmiert sein. Nur ein Beispiel: Der Chefredakteur des vielgelesenen Tech-Blogs „The Verge“, Nilay Patel, erklärte einen solchen Schritt bereits für „Nutzer-feindlich und dumm“ - obwohl er zu dem Zeitpunkt noch gar nicht wissen konnte, welche Alternativen Apple seinen Kunden anbieten wird. Dazu könnten beispielsweise drahtlose Bluetooth-Kopfhörer gehören.
Ein Grund für einen Stecker-Verzicht könnte der Versuch sein, die Geräte in Zukunft noch dünner und kompakter zu machen oder Platz für einen zusätzlichen Lautsprecher oder einen größeren Akku zu schaffen. Die Buchse für die 3,5-Millimeter-Klinke nimmt nach heutigen Verhältnissen viel Platz ein und bildet eine natürliche Grenze dafür, wie flach und oder auch wasserdicht die Geräte überhaupt sein können. Und bei Apple hat es schon Tradition, eine Vorreiter-Rolle bei der Abschaffung noch durchaus rege genutzter Schnittstellen zu übernehmen. Beim ersten iMac-Computer verzichtete Steve Jobs vor 18 Jahren auf die Floppy-Disc zugunsten von USB-Anschlüssen. Frühzeitig verbannte Apple auch das CD-Laufwerk aus seinem Macbook Air, um es dünner zu machen.
Außerdem ist der Anschluss, der technisch noch auf die Klinkenstecker von Telefon-Vermittlungsstellen aus dem 19. Jahrhundert zurückgeht, eben noch analoges Überbleibsel in einem digitalen Zeitalter. Was mit „Lightning“ möglich wird, zeigte jüngst auf der Berliner Elektronik-Messe IFA die dänische Firma Libratone mit dem ersten kleinen Ohrhörer mit aktiver Geräuschunterdrückung. Normalerweise steckt die Technologie in großen Kopfhörern, weil sie eigene Batterien benötigt. Mit „Lightning“ wird das Kleinformat möglich, weil darüber der Strom von der iPhone-Batterie abgezapft wird.
Und schließlich würde der Schritt - zumindest nach aktuellem Stand - Apple mehr Kontrolle über das Geschäft mit Ohrhörern für seine mobilen Geräte geben. Das Signal aus dem „Lightning“-Anschluss zu bekommen ist keine große Sache - aber wer auch Töne ins Telefon reinbringen will, zum Beispiel bei einem Telefongespräch, braucht einen Chip, den es aktuell nur von Apple gibt.
Über eine mögliche kontroverse Ohrhörer-Erneuerung hinaus dürfte Apple den iPhones das übliche Upgrade verpassen: Schnellere Chips, bessere Displays. Zumindest beim größeren „Plus“-Modell soll die Kamera bisherigen Gerüchten zufolge eine zweite Linse bekommen. Und nach Informationen des bekannten Branchenanalysten Ming-Chi Kuo spendiert Apple den Geräten schließlich auch mehr Speicher: Statt 16 solle es künftig mindestens 32 Gigabyte geben, dafür falle die Version mit 64 GB weg und die nächsten Schritte seien 128 und 256 GB.
Die Generalüberholung mit neuem Design wird nun erst für kommendes Jahr erwartet, wenn Apple das zehnjährige Jubiläum des iPhone feiert. Dann, so heißt es in Medienberichten, könne Apple eventuell den Fingerabdruck-Sensor des „Home“-Buttons direkt in das Display-Glas integrieren und auf einen Bildschirm mit OLED-Technologie umsteigen.
Das iPhone hat eine besondere Bedeutung für Apple. Es ist das wichtigste Produkt des Konzerns. Und es schwächelt gerade. Im vergangenen Quartal fielen die Verkäufe im Jahresvergleich um 15 Prozent auf 40,4 Millionen Geräte. Entsprechend sackten auch Umsatz und Gewinn der gesamten Firma ab. Neben den wirtschaftlichen Turbulenzen in China ist der Grund für die Talfahrt, dass sich das Wachstum im Smartphone-Markt in Länder wie Indien verlagert hat, wo günstigere Geräte gefragt sind. Apple-Chef Tim Cook will sich aber dem Preisdruck nicht beugen und setzt weiterhin darauf, dass mit der Zeit auch dort mehr Leute Geld für ein teureres Apple-Gerät ausgeben.
Auch nach dem Rückgang bringt das iPhone immer noch mehr als die Hälfte der Apple-Erlöse ein. Und jetzt steht die Weihnachtszeit an, in der Apple mit neuen Modellen traditionell sein bestes Geschäft macht. Branchenexperten gehen davon aus, dass der Vorjahres-Rekord von knapp 74,8 Millionen verkauften iPhones und 18,4 Milliarden Dollar Quartalsgewinn sich nicht wiederholen lassen wird. Schon gar nicht mit einem Modell, das sich äußerlich nicht viel vom Vorgängergerät unterscheidet. Apple kommt aber zugute, dass sich Erzrivale Samsung gerade einen dicken Patzer leistete und sein Galaxy Note 7 wegen Akku-Problemen weltweit zurückrufen musste.
Neben den neuen iPhones könnte Apple den Gerüchten zufolge auch die zweite Version seiner Computer-Uhr vorstellen. Bisher verkaufte der Konzern unverändert das erste Modell seit April 2015. Die Apple Watch etablierte sich zwar vom Start weg als Marktführer - doch die Frage, wie groß die Produktkategorie überhaupt werden kann, steht weiterhin im Raum. Die Marktforscher von IDC schätzen, dass nach 3,6 Millionen verkauften Apple-Uhren im Startquartal ein Jahr später im zweiten Vierteljahr 2016 nur noch 1,6 Millionen Geräte abgesetzt wurden. Apple selbst nannte noch keine Verkaufszahlen. Von der neuen Version werden äußerlich eher unsichtbare Veränderungen wie eine größere Batterie, ein GPS-Chip direkt in der Uhr und eine bessere Widerstandsfähigkeit gegen Wasser erwartet.
Nach Bloomberg-Informationen ist auch noch für Herbst mit neuen Notebooks und Desktop-Computer zu rechnen - sie würden aber zu einem späteren Zeitpunkt vorgestellt.
Ausführlich vorstellen dürfte Apple dagegen die neuen Versionen der Software für iPhone, Apple Watch und Mac-Computer. Auf jeden Fall werden Cook & Co. froh sein, nach der Aufregung um die bisher gravierendste iPhone-Sicherheitslücke „Pegasus“ und die potenziell über 13 Milliarden Euro schwere Steuer-Nachforderung der EU-Kommission auch wieder über Produkte sprechen zu können.