IT-Gipfel soll intelligente Netze vorantreiben

Berlin (dpa) - Mit großen Erwartungen kommen die Spitzen von Bundesregierung und Unternehmen am Dienstag in München zu einer Konferenz über den digitalen Wirtschaftsstandort Deutschland zusammen.

„Vom IT-Gipfel soll ein Signal für den Aufbau intelligenter Netze ausgehen“, so der Präsident des Fachverbands Bitkom, Dieter Kempf. Die Auswirkungen werde jeder Endverbraucher spüren, etwa beim „Smart Metering“, das eine Messung bei Strom und Gas für jedes elektronische Gerät ermöglicht und den Verbrauch mit der Versorgungsgesellschaft abstimmt.

IT-Gipfel, das ist eine Art Weihnachtsfeier von Regierung und Wirtschaft, die nun schon zum sechsten Mal stattfindet. Die konkreten Ergebnisse sind meist überschaubar, aber das vereinte Gewicht von politischer und wirtschaftlicher Macht diente mehrfach als Hebel, um schwierige Vorhaben zu stemmen. „Das Breitband hätte es ohne die IT-Gipfel in Deutschland nicht oder zumindest nicht in dieser Schnelligkeit gegeben“, sagt Kempf - nicht ohne anzumerken, dass es bei den schnellen Internetverbindungen immer noch einige Versorgungslücken gebe.

Auch der Informatik-Professor Christoph Meinel, Direktor des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in Potsdam, hält das jährliche Treffen für sinnvoll: „Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft sitzen an einem Tisch. Das hat bisher Dinge vorangebracht, die ohne eine solche Koordinierung auch gekommen wären, aber nicht so stringent wie mit diesem Forum.“ Dies sei jetzt auch beim Aufbau intelligenter Netze zu hoffen.

„Die Netzwerke werden dadurch smart und klug, dass sie den Verbrauch intelligent steuern“, erklärt Meinel im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Jeder Zähler im Haus müsse über das Internet steuerbar sein, um auf Überangebot oder Mangel reagieren zu können. Er würde sich wünschen, dass dieses große Projekt noch offensiver nach vorn getragen werde „und nicht die Sorge überwiegt, dass man als Einzelner messbar wird“. Intelligente Netze seien ein gutes Beispiel für das „Internet der Dinge“. Voraussetzung für den Netzanschluss von Geräten aller Art sei die Umsetzung des neuen Internet-Protokolls IPv6 mit seiner nahezu unendlichen Zahl von IP-Adressen, sagt Meinel, der die IPv6-Sonderarbeitsgruppe des IT-Gipfels leitet.

Damit der Aufbau intelligenter Netze schnell vorankommt, fordert der Bitkom die Einrichtung eines „nationalen Infrastrukturrats“, in dem Bund, Länder und Gemeinden mit der Wirtschaft zusammenwirken sollen. Dabei geht es nicht nur um die Energieversorgung, sondern auch um intelligente Netze für den Verkehr, das Gesundheitswesen sowie die öffentliche Verwaltung und die Schulen. Zum Aufbau eines intelligenten Verkehrsnetzes erklärte Siemens-Forschungsleiter Reinhold Achatz, technisch seien bereits viele Einzellösungen vorhanden. „Nun geht es darum, sie bestmöglich zu integrieren.“

Die Branche überreicht der Kanzlerin in München eine Art Wunschzettel für die stärkere Nutzung von Informationstechnik in der öffentlichen Verwaltung - Aufträge von Behörden sind für die IT-Branche ein lukratives Geschäft. Unter Hinweis auf die Stichworte Elena (elektronischer Entgeltnachweis), Elster (elektronische Steuererklärung) und die elektronische Lohnsteuerkarte sagt Kempf: „Ich werde am Dienstag in aller gebotenen Höflichkeit ein paar Dinge ansprechen, die uns weniger gefallen.“

Auch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Bildung einer „Stiftung Datenschutz“ wird den IT-Gipfel beschäftigen. Die Mittel sind schon da - zehn Millionen Euro im Bundeshaushalt 2011. Zu ihrer Verwaltung wird jetzt zunächst eine Treuhandstiftung eingerichtet, bevor die eigentliche Stiftung im kommenden Jahr ihre Arbeit aufnimmt. Im Satzungsentwurf ist nach Angaben aus dem Bundesinnenministerium Leipzig als Standort vorgesehen; die endgültige Abstimmung steht aber noch aus.

Weitere Themen der Runde im Kongresszentrum auf dem Münchener Messegelände sind die Cybersicherheit - etwa zur Technik sicherer elektronischer Identitäten - und der Bürokratieabbau mit Hilfe von Informationstechnik. Hier will sich Kanzlerin Merkel den Prozess-Daten-Beschleuniger P23R anschauen: Dieses Projekt soll die Meldevorgänge zwischen Unternehmen und Behörden vereinfachen und damit Kosten senken.

Die Netzgemeinde wird den IT-Gipfel mit Interesse beobachten. Dazu hat das HPI unter der Adresse www.it-gipfelblog.de einen Blog mit Videobeiträgen eingerichtet. Auf Twitter kann man das Geschehen mit dem Hashtag (Stichwort) #itg11 verfolgen.