Karlsruhe billigt Telekommunikationsüberwachung
Karlsruhe (dpa) - Dürfen Ermittler auch die Telefone von Ärzten und Journalisten abhören, wenn es um schwere Straftaten geht? Auch, wenn es um private Dinge gehen könnte? Im Streit um Überwachungsmaßnahmen schlägt sich das Bundesverfassungsgericht auf die Seite der Strafverfolger.
Der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung 2007 den „absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung“ ausreichend geschützt, teilte das Gericht am Mittwoch mit. Die Beschwerden wies der Zweite Senat zurück. Die Kläger, die unter anderem vom FDP-Rechtspolitiker Burkhard Hirsch vertreten wurden, sahen in der Neuregelung eine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses und des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Az. 2 BvR 236/08 u.a.).
Das Abhören von Telefonen oder die Überwachung der Internetkommunikation sind nach Ansicht der Richter auch dann nicht von vornherein unzulässig, wenn private oder intime Informationen mit erfasst werden können. Ein umfassendes Erhebungsverbot „würde die Telekommunikationsüberwachung in einem Maße einschränken, dass eine wirksame Strafverfolgung gerade im Bereich schwerer und schwerster Kriminalität nicht mehr gewährleistet wäre“, heißt es in dem 55-seitigen Beschluss. Wenn die Ermittler allzu Privates mithören, müssen sie es nach dem Gesetz sofort wieder löschen.
Mit der umstrittenen Neuregelung wurde 2007 die Überwachung auf den Verdacht schwerer Straftaten begrenzt. Allerdings wurden zahlreiche neue Delikte in den Katalog der Taten aufgenommen, bei denen eine Überwachung möglich ist - etwa Korruption, schwere Steuervergehen oder die Verbreitung von Kinderpornografie. Die Verfassungsrichter hatten hiergegen keine Einwände: Es handele sich um Delikte, die „entweder erheblich in die Funktionsfähigkeit des Staates oder (...) in einschneidender Weise die Rechtsgüter Privater beeinträchtigen“.
Bei Abgeordneten, Seelsorgern und Strafverteidigern sowie - seit Februar 2011 - auch den übrigen Rechtsanwälten dürfen generell keine Überwachungsmaßnahmen angeordnet werden. Für andere „Berufsgeheimnisträger“, etwa Ärzte und Journalisten, gibt es hingegen keinen absoluten Schutz: Sie dürfen nach einer Abwägung der Verhältnismäßigkeit überwacht werden.
Kritiker befürchteten deshalb eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient beziehungsweise eine Unterhöhlung der Pressefreiheit durch Gefährdung des Informantenschutzes. Die Verfassungsrichter billigten hingegen die Regelung: Indem der Gesetzgeber das absolute Überwachungsverbot auf wenige Ausnahmefälle begrenze, trage er „dem Umstand Rechnung, dass die Verfolgung von Straftaten hohe Bedeutung hat“.
Die Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) war 2007 zusammen mit den gleichfalls umstrittenen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen worden. Letztere hatte das Bundesverfassungsgericht im März 2010 für verfassungswidrig erklärt. Hierbei geht es um die Speicherung von Verbindungsdaten ohne konkreten Anlass.
Bei der TKÜ wird hingegen der Inhalt eines Gesprächs oder einer Nachricht mitgehört oder aufgezeichnet - jedoch nur, wenn der konkrete Verdacht einer schweren Straftat besteht. Nach der Statistik des Bundesamts für Justiz wurde 2010 in 17 351 Fällen eine Überwachung der Telefon- oder Internetkommunikation angeordnet.