Linux feiert 20. Geburtstag
Berlin (dpa) - „Ich arbeite an einem (freien) Betriebssystem (nur ein Hobby, wird nicht groß und professionell...).“ Da irrte der finnische Student Linus Torvalds, als er am 25. August 1991 den Start von Linux bekanntgab.
Das freie Betriebssystem wurde so erfolgreich, dass es heute von mehreren tausend Entwicklern und vielen Firmen in aller Welt unterstützt wird. Linux war vor 20 Jahren bereits der vierte Versuch, ein freies PC-Betriebssystem auf der Basis des in den 70er Jahren gestarteten Unix-Systems zu etablieren - nach BSD (1977), GNU (1983) und Minix (1987). Torvalds orientierte sich vor allem an Minix, hatte aber bald den Ehrgeiz, es besser zu machen. Über die Version 0.01 von Linux sagte er später: „Sie war nicht schön, sie hatte keinen Treiber für Diskettenlaufwerke, und sie konnte kaum etwas Sinnvolles tun. (...) Aber ich hatte Feuer gefangen und wollte nicht aufhören, bevor ich Minix rausschmeißen konnte.“
Im Usenet, dem bis heute lebendigen Newsgroup-Bereich im Internet, lud Torvalds bastelfreudige Programmierer zum Mitmachen ein. Im März 1992 konnte so die Version 1.0 bereitgestellt werden - seit Anfang August ist die Version 3.0.1 aktuell. Torvalds und seine Mitstreiter widerlegten in den vergangenen 20 Jahren auch Skeptiker wie den Minix-Entwickler Andrew Tanenbaum, der sich nicht vorstellen konnte, wie ein verteiltes Programmieren gelingen soll: „Ich denke, dass die Koordination von 1000 Primadonnen, die überall auf der ganzen Erde leben, genauso einfach ist wie Katzen zu hüten“, schrieb Tanenbaum in einer inzwischen legendären Debatte im Usenet.
„Linux hat den wunderbaren Ansatz, dass es von Anfang an ein Hardware-unabhängiges Betriebssystem sein sollte“, sagt der deutsche Linux-Veteran Karl-Heinz Strassemeyer, der 44 Jahre für IBM tätig war. Er hat maßgeblich daran mitgewirkt, das für den PC entwickelte Linux 1998 auf den Großrechner (Mainframe) zu bringen. Die schwerfällige Hardware von IBM war eigentlich nicht dafür gedacht, ein direkt vom Kunden betriebenes System zu unterstützen. Aber es gab einen wachsenden Bedarf, auch Unix-Anwendungen auf den großen Rechenanlagen zum Laufen zu bringen.
„Wir haben dann im Internet gefragt: "Gibt es hier ein paar Linux-Hacker, die uns helfen können?"“, erinnert sich Strassemeyer. Dabei habe es im IBM-Management zunächst erhebliche Widerstände gegen das freie System gegeben - sogar die Warnung: „Nehmt die Hände weg von Linux, das ist Programmieren für Kommunisten.“ Microsoft-Chef Steve Ballmer bezeichnete Linux im Jahre 2001 als ein „Krebsgeschwür, das in Bezug auf geistiges Eigentum alles befällt, was es berührt“. Zum Geburtstag aber überreicht Microsoft der Linux Foundation in einem Trickfilm einen Geburtstagskuchen.
Die Grundidee von freier Software schien lange Zeit mit dem kommerziell betriebenen Software-Geschäft kaum vereinbar: Der Quellcode (Source Code) von Software darf kein Betriebsgeheimnis sein, sondern wird allen Interessierten offen bereitgestellt. Dann können andere den Code verbessern und ergänzen, müssen ihn aber wieder für die Community bereitstellen.
„Wir haben diesen offenen Aspekt gebraucht, um auch proprietäre Systeme attraktiver zu machen“, sagt Strassemeyer im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. „Und gemeinsam kann man mehr erreichen, als wenn man nur das Gemüse auf dem eigenen Mist anpflanzt.“
Dieses Motto verfolgt auch IT-Architektin Jutta Kreyss, die bei IBM das 2005 gestartete Linux-Projekt der Stadt München unterstützt: Von den 15 000 Arbeitsplätzen in der städtischen Verwaltung sollen 12 000 mit freier Software ausgestattet werden. Bislang sind es nach Angaben von Kreyss 6600 Rechner, bis 2013 soll das Projekt abgeschlossen sein. „Was ich persönlich bei Linux spannend finde“, sagt Kreyss, „ist, dass das eine Story ist, die sich durchzieht von der Hardware über die Software bis zu den Services.“ Das Projekt „LiMux“ fand weltweit aber nur wenig Nachahmer.
Die Fähigkeit, sich ohne großen Aufwand an unterschiedliche Prozessoren und Hardware-Plattformen anpassen zu lassen, hat Linux jetzt eine neue Erfolgsgeschichte beschert. Das auf der Grundlage von Linux entwickelte Google-System Android hat bei Smartphones nach den Zahlen der Marktforschungsfirma Gartner einen Anteil von 43,4 Prozent - verglichen mit 1,6 Prozent für Windows.
Anders hingegen sieht es auf dem PC aus, wo Linux nicht über einen Anteil von 2 Prozent hinauskommt, während 94 Prozent der in diesem Jahr ausgelieferten PCs Windows 7 vorinstalliert haben. Das ebenfalls auf Unix beruhende Mac-System kommt 2011 laut Gartner auf 4,5 Prozent.
Präsenter ist Linux auf dem Server: Wenn man im Browser eine Webseite aufruft, werden die Daten mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Server mit Linux und der Software Apache ausgeliefert. In noch einmal 20 Jahren, so schätzt Strassemeyer, werde sich Linux als Basis-Betriebssystem für die unterschiedlichsten Einsatzzwecke etabliert haben. „Abgesehen von einigen wenigen historischen Verpflichtungen sehe ich dann keinen Grund mehr für irgendwelche anderen Betriebssysteme.“
Die Linux Foundation, für die Torvalds heute tätig ist, feiert den Geburtstag mit Festen, einer Ausstellung und einer Sammlung von Video-Beiträgen. Nur der Free-Software-Pionier Richard Stallman ist am Linux-Geburtstag grummelig. „Warum sollte ich das Werk von jemandem feiern, der unsere Werte nicht teilt?“ antwortet er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Der Gründer des GNU-Projekts mit der von Linux verwendeten Software-Lizenz GPL wirft Torvalds vor, dass ihm nicht die Freiheit am Herzen liege, sondern nur die Qualität der Software: Mit der Betonung von Open Source als Gegenbegriff zu freier Software hätten sie „einen völlig anderen Diskurs aufgemacht“.
Freie Software sei in den Kernaussagen der stärkere, der radikalere Begriff, erklärt der Mitbegründer des LinuxTags, Nils Magnus. Open Source sei die pragmatische Interpretation von freier Software. „Für die Anwender spielt das aber keine große Rolle. Das ist eher eine charmante philosophische Fragestellung.“