„Lösch-Beirat“ von Google uneins über „Recht auf Vergessen“
Berlin (dpa) - Die Experten im „Lösch-Beirat“ des Internet-Konzerns Google haben sich nicht auf eine einheitliche Linie zum „Recht auf Vergessenwerden“ einigen können. Das geht aus dem Bericht des Komitees hervor, der am Freitag von Google veröffentlicht wurde.
Zwar konnte sich die Mehrheit des Gremiums auf einen Katalog von Kriterien verständigen, den Google beim Unterdrücken von Links zu falschen oder kompromittierenden Inhalten in Web über betroffene Personen anwenden soll. Das prominenteste Mitglied des achtköpfigen Beirats, Wikipedia-Gründer Jimmy Wales, protestierte hingegen gegen jeden Versuch, unerwünschte Links in den Ergebnissen einer Google-Suche zu unterdrücken.
Der Europäische Gerichtshof hatte im Mai 2014 entschieden, dass Suchmaschinen wie Google aus ihren Ergebnisseiten Links zu Inhalten löschen müssen, wenn sich ein Nutzer in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sieht. Mit dem Urteil des EuGH blieben aber viele Detailfragen zur Beantragung einer Löschung oder dem Wirkungsbereich offen. Deshalb setzte Google freiwillig einen Beirat ein, der ihn bei der Umsetzung des Urteils beraten sollte. Er sollte auch eine Antwort auf die Frage finden, wie das Recht einer Person auf Vergessenwerden mit dem Recht der Öffentlichkeit auf Information abgewogen werden kann.
Wales forderte, das Europäische Parlament müsse umgehend die rechtliche Grundlage ändern, um die freie Meinungsäußerung zu schützen und eine angemessene gerichtliche Kontrolle des vom EuGH ausgesprochenen Löschanspruchs zu ermöglichen. „Bis zu diesem Zeitpunkt sind alle Empfehlungen an Google in diesem Bericht zutiefst fehlerhaft, weil das Gesetz selbst zutiefst fehlerhaft ist.“
Die Mehrheit der Experten plädierte dafür, anhand des Kriterienkatalogs jeden Antrag individuell zu bewerten. Uneins waren sich die Mitglieder des Gremiums in der Frage, ob Löschanträge von Bürgern regional begrenzt gelten sollten. Die Mehrheit des Beirats befürwortete die Praxis von Google, das Unterdrücken der Links auf die nationalen Angebote - also beispielsweise google.de oder google.es - zu beschränken. Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sprach sich in ihrem persönlichem Votum hingegen dafür aus, die Fundstellen aus allen Google-Angeboten weltweit zu tilgen. „Wenn ich bei der Google-Suche in Europa über Google.com die Artikel wiederfinde, auf die sich der Löschungsanspruch bezieht, wird der Anspruch umgangen“, erklärte sie.
Die Mehrheit der Experten betonte in dem Bericht, mit dem EuGH-Urteil sei nicht ein „Recht auf Vergessen“ geschaffen worden. Google sei nicht verpflichtet worden, „zu vergessen“, sondern Links aus Suchergebnissen zu entfernen, deren Ergebnisse „inadäquat, irrelevant oder nicht mehr relevant oder exzessiv“ seien. Google könne dabei nicht zum Entfernen der Links gezwungen werde, wenn es ein öffentliches Interesse an diesen Informationen gebe.
Dem Beirat gehörten neben Wales und Leutheusser-Schnarrenberger auch der UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit Frank La Rue an. Weiterhin saßen Luciano Floridi, Professor für Informationsphilosophie und Informationsethik an der University of Oxford, Sylvie Kauffmann, Diréctrice Editorial der französischen Zeitung Le Monde, die Juristin Lidia Kolucka-Zuk, José-Luis Piñar, der ehemalige Direktor der spanischen Datenschutzbehörde (2002-2007) sowie die belgische Professorin Peggy Valcke in dem Gremium. An den Beratungen von August bis September 2014 in sieben europäischen Hauptstädten waren weitere Juristen, Datenschützer und Netzexperten aus mehreren europäischen Staaten beteiligt. In Berlin hatte Google-Verwaltungsratschef Eric Schmid die Runde moderiert.