Mobbing im Internet: „Es kann jeden treffen“
Karl Dambach schult Eltern und Lehrer zu dem Thema. Er kritisiert: Es wird zu wenig gegen die Hetze im Netz unternommen.
Düsseldorf. Mobbing im Internet nimmt zu, meist kennen sich Opfer und Täter aus der Schule. Karl Dambach war lange Lehrer, heute ist er spezialisiert auf Cybermobbing. Er schult mit seinem Verein „Mobbing-Intervention und -Prävention“ Eltern und Lehrer zu diesem Thema.
Herr Dambach, hat Cybermobbing eine andere Qualität als „normales“ Mobbing?
Karl Dambach: Mobbing an sich gibt es schon lange. Wenn aber früher „Hans ist doof“ an die Tafel gekritzelt wurde, konnte der Betroffene das wegwischen, es bekam nur die Klasse mit. Die Öffentlichkeit im Internet ist viel größer, und Betroffene können schwer einschätzen, wer das diffamierende Bild oder Video gesehen hat. Nehmen wir das Beispiel der jungen Kanadierin Amanda Todd, von der Oben-Ohne-Fotos existierten. Sie wurde als Schlampe bezeichnet — und da haben dann Tausende Menschen mitgemacht, die das Mädchen gar nicht kannten. Hinzu kommt, dass das Internet nicht so schnell vergisst.
Laut der aktuellen Studie wurde schon jeder fünfte Schüler gemobbt. Nimmt das zu?
Dambach: Cybermobbing gibt es, seit die Kommunikation vermehrt über das Netz stattfindet. Es ist sehr verbreitet, und leider geschieht wenig dagegen.
Warum ist das so?
Dambach: Lehrer bekommen Mobbing manchmal gar nicht mit. Schüler haben zudem das Gefühl, dass Erwachsenen das technische Wissen fehlt, sie gar nicht verstehen, was vor sich geht. Studien ergeben, dass die Betroffenen bei Erwachsenen deshalb selten Schutz suchen.
Was können Lehrer machen, um Cybermobbing zu verhindern?
Dambach: Lehrer sollten bei einem akuten Fall nicht direkt die Klasse ansprechen. Das kann sogar kontraproduktiv sein. Ich empfehle, das Thema indirekt im Unterricht zu behandeln, beispielsweise im Deutschunterricht einen Jugendroman zu dem Thema zu lesen oder im Religionsunterricht. Lehrkräfte müssen es schaffen, Empathie herzustellen. Den Jugendlichen muss klar sein: Jeden kann es treffen. Ihnen muss klar sein, was das bedeutet, wenn man gemobbt wird. Die Einsamkeit nachvollziehen, die die Opfer spüren. Schlussendlich kann nur die Klasse dafür sorgen, dass der Außenseiter wieder eingegliedert wird.
Was raten Sie Eltern?
Dambach: Eltern müssen ihr Kind schützen und stärken. Das Kind muss sich trauen können, alles zu erzählen, auch Peinliches.
Wissen die Mobber, was sie anrichten?
Dambach: Bei Selbstmordfällen waren die Täter nachher bestürzt. Manche glauben, dass sie sich nur einen Scherz erlauben. Aber wenn alle mitmachen, sind das zu viele Scherze und Hänseleien für ein Opfer.
Was hat das für Auswirkungen auf das Opfer?
Dambach: Wer immer gehänselt wird, ist empfindlicher, unentspannt — als Abwehrreaktion. Mitunter ändert sich der Charakter so sehr, dass die Mobber meinen, im Recht zu sein. Manche Gemobbten biedern sich bei den Lehrern an, um zumindest von denen Anerkennung zu bekommen. Diese Signale müssen Lehrer erkennen.
Warum machen so viele Schüler beim Mobbing mit?
Dambach: Wenn eine Gruppe jemanden ausgrenzt, dann hat sie etwas gemeinsam, das sie stärkt. Es gibt Anführer und Mitläufer, die nicht selbst Opfer werden wollen. Schülern ist es wichtig, auf der richtigen Seite zu stehen. Außerdem ist die Hemmschwelle niedrig, jemanden zu mobben, der ein wenig anders ist. Dass das okay ist, suggerieren ja auch Fernseh-Sendungen wie „Deutschland sucht den Superstar“. Die Jugendlichen sehen das Mobben harmlos, bis sie selbst Opfer werden.