Neonazis rekrutieren über Soziale Netzwerke

Berlin (dpa) - Rechtsextreme nutzen Soziale Netzwerke wie YouTube, Facebook und Twitter verstärkt für ihre Propaganda.

Das „Social Web“ sei für Neonazis die Rekrutierungsplattform schlechthin, berichtete die Organisation Jugendschutz.net am Mittwoch in Berlin. Die Plattformen seien bei Kindern und Jugendlichen - den wichtigsten Zielgruppen - besonders beliebt, sagte Stefan Glaser, stellvertretender Leiter der Jugendschutz-Einrichtung. Als Köder nutzen Rechtsextreme oft emotionale Themen wie Kindesmissbrauch und Arbeitslosigkeit.

Bei Jugendschutz.net gingen laut Jahresbericht im vergangenen Jahr 1607 Hinweise auf rechtsextreme Inhalte ein, rund ein Drittel mehr als 2010 (1150). 629 bezogen sich auf Inhalte im Web 2.0, vor allem bei Facebook und YouTube - 2010 waren es nur 270. In 978 Fällen beschwerten sich Nutzer über klassische Internet-Seiten, die zumeist aus dem Umfeld von Neonazi-Gruppen, autonomen Nationalisten oder rechtsextremen Versandhändlern stammten. Immer häufiger stoßen die Jugendschützer auf strafbare Inhalte. „Wir schätzen es so ein, dass sich die Szene vor der Strafverfolgung sicher fühlt“, sagte Glaser.

Die Rechtsextremen ködern Jugendliche außerhalb der Szene mit emotionalen Themen wie Kindesmissbrauch oder Arbeitslosigkeit. Die Aufrufe seien auf den ersten Blick unauffällig - „erst wenn man genauer hinschaut, findet man demokratiefeindliche Parolen“, sagte Glaser. Zudem setzen sie auf den Reiz subversiver Aktionen wie Flashmobs. Die harte Ideologie trete erst später zutage.

„Das Internet ist ein wichtiger Aktionsraum, in dem die Rechtsextremen oft ihr wahres Gesicht zeigen“, sagte Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. Der Nährboden für rechtsextreme Gewalt werde oft in den Sozialen Medien bereitet. Er forderte die Plattform-Betreiber auf, „soziale Verantwortung zu übernehmen“ und proaktiv gegen extreme Inhalte vorzugehen. Auch die Netzgemeinde müsse mehr tun: Sie dürfe nicht nur über Datenschutz und Freiheit des Mediums diskutieren, sondern müsse auch den Nutzern klar machen, dass Zivilcourage wichtig sei.

Glaser nahm Facebook und Co in die Pflicht: „Bei massivem Missbrauch muss ich als Plattform-Betreiber selbst tätig werden.“ Die Jugendschützer verwendeten bei ihren Recherchen szenetypische Begriffe, diesen Ansatz könnten auch die Unternehmen verfolgen. Zudem forderte er, dass gleiche oder ähnliche Inhalte wie Videos nicht erneut hochgeladen werden können - etwa indem die Betreiber die Clips vorab filtern, wie es bereits bei Verstößen gegen das Urheberrecht getan werde.

Die YouTube-Mutter Google lehnt ein solches Vorgehen allerdings ab. Jedes Video müsse einzeln überprüft werden, weil der Kontext entscheidend sei. Beispielsweise könnten Bilder von Nazi-Aufmärschen auch in Nachrichtensendungen oder Dokumentationen verwendet werden. Facebook verwies darauf, bereits technische Systeme zur proaktiven Identifizierung von Verstößen gegen die Richtlinien einzusetzen und „dagegen passende Maßnahmen zu ergreifen“. Beide Portale beteiligen sich zudem an Aktionen gegen Rechtsextremismus, etwa des Vereins „Laut gegen Nazis“.