Patriot Snowden wirbt um Verbündete in der Tech-Szene
Austin (dpa) — Es wirkt reichlich provokant. Als der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden sich am Montag direkt per Videokonferenz der Öffentlichkeit in seinem Heimatland stellt, prangt im Hintergrund ein mächtiges amerikanisches Symbol.
Eine Kopie der originalen US-Verfassung umrahmt auf dem Bildschirm den wohl meistgesuchten Mann des Landes. Doch Snowden macht den Tausenden auf dem Technologie-Festival „South by Southwest“ (SXSW) im texanischen Austin schnell klar, dass er es nicht ironisch meint, sondern bitterernst.
„Ich habe einen Eid geschworen, die Verfassung zu achten und zu beschützen“, erklärt er dem Publikum bei der ersten Fragerunde dieser Art seit seiner Flucht ins russische Exil. „Und ich habe gesehen, wie die Verfassung auf massive Weise verletzt wurde“, sagt er mit Blick auf die extreme Datenschnüffelei der US-Geheimdienste, die er enthüllen half.
Die Zuschauer in den drei prall gefüllten Veranstaltungshallen im Austiner Kongresszentrum klatschen und jubeln bei diesen Worten. Snowden hat bei der hier versammelten Technologie-Szene ohnehin ein Heimspiel. Mit der Zurschaustellung seines Patriotismus will er wahrscheinlich zusätzliche Sympathien beim amerikanischen Volk sammeln.
Es scheint zu wirken. „Das war großartig“, sagt Steven Coufal nach der rund einstündigen Zuschaltung. Nach Ansicht des 25-Jährigen hat Snowden seine Ansichten sehr wortstark dargelegt. „Das wird die Debatte weiter anheizen“, erwartet der Marketingexperte. Die Leute hier seien ganz auf der Seite des Whistleblowers.
Während der Übertragung herrscht zwar weitgehend Stille im Saal. Aber die meisten Beobachter bringen das nicht mit mangelnder Begeisterung, sondern mit der schlechten Tonqualität in Verbindung, die genaues Zuhören erfordert. Das Videobild muss nach Angaben der Organisatoren über sieben verschiedene anonyme Server geleitet werden, um Snowdens Aufenthaltsort zu verstecken.
Der 30-Jährige ist eindeutig bemüht, wenige Monate vor dem Ende seines vorläufigen Asyls in Russland in die Offensive zu gehen. Gegen Verantwortliche in Washington wie dem NSA-Chef Keith Alexander, die ihm Verrat vorwerfen, schießt er verbal scharf zurück. Sie seien mit ihrer Spionagewut die wahren Verfassungsbrecher und „schadeten unserer Internetsicherheit und nationalen Sicherheit“, sagt er.
Snowden fordert gar einen „Aufseher für den Kongress“, der die Öffentlichkeit informiere, was wirklich passiere. Denn die Abgeordneten würden diese Aufgabe nicht mehr richtig erfüllen. „Wir können nicht Beamte wie (den Geheimdienstdirektor) James Clapper haben, die jeden anlügen können und dafür nicht kritisiert werden.“
Der 18 Jahre alte Internet-Entwickler Luke Wright zeigt sich hinterher überzeugt. Snowden habe erstmals richtig verdeutlicht, was er eigentlich mit seinen Enthüllungen erreichen wollte. Dass die IT-Branche mehr dafür tun müsse, die Privatsphäre der Bürger zu schützen. „Ich bin auch sehr besorgt darüber, dass die Regierung all meine Daten speichern kann“, sagt er.
Dabei scheint Snowdens Appell an die Computer-Experten gar nicht unbedingt nötig gewesen zu sein. Die Sicherheit privater Daten in der digitalen Welt ist das beherrschende Thema bei der seit Freitag laufenden SXSW-Konferenz. Viele Firmen, deren Geschäftsmodell auf das Vertrauen der Nutzer baut, zeigen sich hier alarmiert. Giganten wie Apple und Google haben bereits stark in den Datenschutz investiert.
Tim Berners-Lee, einer der Gründerväter des World Wide Web, lässt Snowden während der Videokonferenz sein Lob ausrichten, weil durch ihn die Branche aufgewacht sei. Viele Festivalbesucher sahen es ähnlich und verabschieden Snowden mit Applaus. „Ich will ihn öfter erscheinen sehen, damit er die Menschen daran erinnern kann, was schief läuft“, sagt der Zuschauer Devin McCullough.
Einige Politiker in Washington wollen das am liebsten vermeiden. Der Abgeordnete Mike Pompeo forderte die SXSW-Macher gar in einem offenen Brief auf, das Ereignis abzusagen. „Er kümmert sich mehr um seinen persönlichen Ruhm als um persönliche Privatsphäre“, schrieb der Republikaner. Festival-Direktor Hugh Forrest konterte den Angriff im Magazin „Forbes“: „Ich habe noch nie einen Redner ausgeladen. Ich würde es toll finden, wenn die NSA hier mal einen Vortag hält.“