Anwendungen für den Notfall Prüfen, rufen, drücken: Wie gut sind Erste-Hilfe-Apps?
Berlin (dpa/tmn) - Plötzlicher Herztod ist in Deutschland die Todesursache Nummer drei. Jedes Jahr sterben etwa 70 000 Menschen, obwohl der Rettungsdienst im Schnitt 8 bis 15 Minuten nach Eingang des Notrufs mit der Reanimierung beginnt.
Bei einem Herzinfarkt entscheidet aber jede Sekunde darüber, ob der Betroffene überlebt. Deshalb können Laien Leben retten, wenn sie sofort mit der Wiederbelegung beginnen. Erste-Hilfe-Apps wollen dabei unterstützen. Doch was leisten digitale Notfallpässe und Anleitungen wirklich?
Viele Smartphones verfügen mittlerweile unabhängig vom Betriebssystem über einen vorinstallierten Notfallpass, der auch bei gesperrtem Bildschirm eingesehen werden kann. Besitzer älterer Smartphones können sich Apps wie „Notfall ID“ ( Android) auf ihr Handy laden. Darüber bekommen Helfer im Notfall theoretisch wichtige Informationen wie Name, Notfallkontakt, Blutgruppe und Allergien - auch wenn der Besitzer des Smartphones nicht ansprechbar ist.
Silvia Darmstädter vom Deutschen Feuerwehrverband glaubt aber nicht, dass solche Apps im Ernstfall etwas nützen: „Um erst nach einem Handy zu suchen, ist im Notfall keine Zeit.“ Sie könne sich eher vorstellen, dass Informationen später im Krankenhaus von Vorteil sind, um Angehörige des Patienten zu kontaktieren.
Lennart Holtkämper vom Fachmagazin „Connect“ findet die auf dem Smartphone hinterlegten Notfallinformationen datenschutzrechtlich bedenklich: „Jeder kann die Daten abrufen. Außerdem können das Telefon auch verwechselt und die Daten falsch zugeordnet werden. Deshalb prüfen Ärzte im Ernstfall die medizinische Angaben noch einmal selbst und nutzen die Apps nicht.“
Eine größere Unterstützung in der Praxis sind dagegen Erste-Hilfe-Apps, die Handlungstipps für den Ernstfall bieten. Sowohl Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK), der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) und die Malteser als auch einzelne Stiftungen wie die Deutsche Herzstiftung bieten Apps an, die im Notfall bei schneller Hilfe unterstützen sollen.
Das DRK bietet gleich zwei Apps an: Die erste, „Mein DRK“ ( iOS, Android), ist kostenlos. Nutzer finden dort Notrufnummern und die Rubrik „Mein kleiner Lebensretter“. Darunter ist erklärt, wie man Notfälle, beispielsweise einen Schlaganfall oder Herzinfarkt, erkennt und reagiert. Die Anleitungen sind aber eher nichts für den Notfall. Sie sind zu lang, und zu den wichtigen Tipps muss man erst scrollen.
Die zweite DRK-App im Bunde heißt „Erste Hilfe“. Sie kostet für Androiden 0,89 Cent und für iPhones 1,09 Euro. Sie beinhaltet neben dem Kleinen Lebensretter eine interaktive Begleitung im Notfall durch Ja-Nein-Fragen. Außerdem kann man über die App einen Notruf absetzen.
Während die Apps des DRK sehr umfangreich sind und technisch gut funktionieren, ist die App des ASB veraltet und deshalb nicht empfehlenswert, sagt Holtkämper. Das gelte auch für die Malteser-App.
Die App „Notfall-Hilfe“ ( iOS, Android) der Pass Consulting Group listet dagegen nach seiner Ansicht übersichtlich Notfallszenarien auf und erklärt, was zu tun ist. Über die App kann der Nutzer außerdem einen Notruf absetzen und sich etwa den passenden Rhythmus für eine Herzdruckmassage vorspielen lassen. Die App bestimmt auch die aktuelle Position und kann sie versenden.
Prof. Bernd Böttiger ist Experte für Wiederbelebung. Er erklärt, dass die Schritte „Prüfen, Rufen, Drücken“ im Ernstfall besonders wichtig sind und ihre Berücksichtigung deshalb unter anderem eine gute App ausmachen. Die App der Deutschen Herzstiftung folgt genau diesen Schritten und ist als einzige App ausreichend übersichtlich, um sie in einer Notsituation einigermaßen schnell bedienen zu können.
Der Intensivmediziner sieht Notfall-Apps aber grundsätzlich kritisch: „Wenn man einen Notruf absetzt, kann die Leitstelle telefonisch kompetentere Hilfe bei der Reanimation leisten und viel besser auf den Ersthelfer eingehen.“ Außerdem sei der Nutzen solcher Apps bis heute noch nicht wissenschaftlich belegt.
Da die sogenannte Telefonreanimation nicht von allen Leitstellen angeboten wird, fände er Apps wie etwa „Mobile Retter“ sinnvoller, die professionelle Ersthelfer aus der näheren Umgebung rufen. Apps wie diese könnten sowohl auf dem Land als auch in Großstädten eine sinnvolle Ergänzung zum regulären Rettungsdienst sein.