Smartphone-Flut beim Mobile World Congress
Barcelona (dpa) - Neuheiten-Feuerwerk in Barcelona: Beim wichtigsten Treffen der Mobilfunk-Branche überbieten sich die Hersteller mit leistungsstarken Smartphones. Die Trends beim Mobile World Congress sind schnelle Chips, große Bildschirme und Kameras mit vielen Megapixeln.
In Abwesenheit von Apple mit seinem iPhone dominieren Geräte mit dem Google-Betriebssystem Android. Der unter Druck stehende Handy-Weltmarktführer Nokia versucht ein Comeback mit einem Kamera-Handy der Superlative und einer Reihe günstigerer Telefone.
Google bekräftigte gleich zum Auftakt am Montag den Führungsanspruch in der boomenden Mobilfunk-Branche. Jeden Tag werden 850 000 Android-Geräte neu angemeldet, verkündete der Internet-Konzern. Das sei ein Sprung von 250 Prozent im Jahresvergleich. Weltweit seien nun mehr als 300 Millionen Geräte mit dem Betriebssystem im Einsatz.
Das Google-Betriebssystem machte zuletzt gut die Hälfte des Smartphone-Markts aus. Der Internet-Konzern vermarktet es als frei und offen - das heißt, die Hersteller haben Spielraum bei der Konfiguration der Geräte und sparen an Lizenzabgaben. Allerdings steht Android auch besonders oft im Visier der Patentklagen von Rivalen wie Apple oder Microsoft.
Apple, mit seinem iPhone zuletzt der führende Smartphone-Hersteller mit fast einem Viertel des Marktes, ist in Barcelona wie immer nicht dabei. Das Grundprinzip des iPhone - großer berührungsempfindlicher Bildschirm statt Tastatur und App-Symbole statt unübersichtlicher Menüs - hat sich inzwischen voll durchgesetzt. Die Android-Anbieter geben auf der Messe ihr Bestes, das aktuelle iPhone 4S in den Schatten zu stellen Ihre Geräte haben größere Touchscreens und zum Teil auch Vierkernchips. Ob die Rekordmeldungen allerdings auch die Verbraucher begeistern werden, bleibt abzuwarten - es wäre nicht das erste Mal, dass große Ankündigungen von Barcelona am Markt verhallten.
Die Android-Hersteller und Apple besetzen zusammen drei Viertel des Smartphone-Marktes. Entsprechend wenig Platz bleibt für Anbieter der restlichen Plattformen. In Barcelona zeigten sich die Partner Nokia und Microsoft jedoch trotz des wachsenden Drucks kampfbereit. Sie setzen unter anderem verstärkt auf Wachstumsmärkte wie China oder Brasilien und wollen dort mit günstigeren Geräten punkten.
„Wir sehen weltweit einen großen Bedarf an Smartphones für unter 150 Euro“, sagte Microsoft-Manager Achim Berg der dpa. „Das stärkste Wachstum gibt es derzeit unter den preiswerteren Smartphones.“ Nokia bringt dafür unter anderem das bisher günstigste Smartphone mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows Phone auf den Markt. Das Lumia 610 soll weltweit ab 189 Euro zu haben sein und in Deutschland für rund 259 Euro. „Der Markt ist noch nicht verteilt, es gibt eindeutig noch Platz für einen Dritten“, betonte Berg. In den entwickelten Märkten wie Nordamerika und Europa hatte es Microsoft bislang besonders schwer, sich gegen die starke Konkurrenz von Smartphones mit Googles Android und Apples iPhones zu behaupten.
In Deutschland hat sich nach jüngsten Zahlen von GfK Google im vergangenen Jahr mit seinen Android-Smartphones als eindeutiger Marktführer mit einem Anteil von 60 Prozent etabliert. Während Apples iOS-Plattform unter den Betriebssystemen nach dem langen Warten auf das neue iPhone leicht rückläufig war und im Januar 2012 noch auf 21 Prozent kam, sackte Windows Phone im Vorjahresvergleich um einen Prozentpunkt auf drei Prozent ab. Im gleichen Zeitraum fiel Nokias Marktanteil von 28 auf 9 Prozent. Allerdings ist das neue Lumia 800 mit Windows Phone erst seit wenigen Wochen verfügbar.
Microsoft stellt in Barcelona am Mittwoch auch die Vorabversion seines nächsten Computer-Betriebssystems Windows 8 für Verbraucher vor. Dass der Software-Riese dafür die Mobilfunk-Messe in Barcelona ausgesucht hat - und nicht etwa die klassische Computer-Messe CeBIT nur wenige Tage später in Hannover - macht die Prioritäten für die Zukunft deutlich. Das nächste Windows soll nicht nur auf PCs, sondern auch auf den Tablet Computern laufen. Dieser boomende Markt wird derzeit von Apple mit dem iPad dominiert.
Der weltgrößte Chiphersteller Intel macht unterdessen einen neuen Anlauf, die Dominanz des britischen Chipdesigners ARM im Markt für Smartphones und Tablet-Computer zu brechen. Der Mobilfunk-Anbieter Orange will im Sommer ein Android-Smartphone mit Intel-Prozessor in Großbritannien und Frankreich auf den Markt bringen. Der Intel-Konzern ist klarer Marktführer bei PC-Chips, für mobile Geräte galten seine Prozessoren aber trotz aller Anstrengungen als zu stromhungrig. Microsoft passte sogar sein neues Betriebssystem Windows 8 an ARM-Chips an, weil es auch auf Tablets laufen soll.
Die Mobilfunk-Branche hat in den vergangenen Jahren die klassische PC-Industrie klar hinter sich gelassen. Weltweit gibt es nach Branchenschätzungen rund sechs Milliarden Mobilfunk-Anschlüsse. Im vergangenen Jahr wurden knapp 1,8 Milliarden Mobiltelefone verkauft, fast jedes dritte davon war ein Smartphone.