Sorgenfalten bei Nintendo zum 125. Geburtstag
Tokio (dpa) - Nintendo hat in 125 Jahren den Weg vom Spielkarten-Hersteller zu einem Videospiel-Schwergewicht zurückgelegt. Der Wandel im Spielemarkt bringt die Traditionsfirma unter Druck. Doch Nintendo hat schon einige Krisen überstanden.
125 Jahre ist ein stolzes Alter für jedes Unternehmen. Doch beim Spiele-Spezialisten Nintendo gibt es zum großen Jubiläum wenig Gründe, die Sektkorken knallen zu lassen. Der aktuelle Hoffnungsträger, die neue Spielekonsole Wii U, hinkt der Konkurrenz hinterher. Experten sehen das Geschäftsmodell durch die günstigen Smartphone-Spiele in Frage gestellt. Und als Antwort für die Zukunft stellte Nintendo-Chef Satoru Iwata bisher nur vage einen Gesundheits-Service in Aussicht, über den bisher nichts Konkretes bekannt ist.
Allerdings stand Nintendo in seiner Geschichte auch schon schlimmer mit dem Rücken zur Wand - und kämpfte sich jedes Mal wieder zurück. Die Geschichte des Unternehmens begann im Jahr 1889 mit Spielkarten. Firmenpatriarch Fusajiro Yamauchi machte sich an die Herstellung traditioneller japanischer „Hanafuda“-Karten in Handarbeit, selbst das Papier kam aus eigener Produktion. Anfang des vergangenen Jahrhunderts kamen auch westliche Spielkarten dazu. Es war ein stabiles Geschäft - aber eben auch eines ohne große Wachstumsaussichten.
Hiroshi Yamauchi, der 1949 den Chefposten bei Nintendo übernahm, passte das überhaupt nicht. Der Enkel des Firmengründers wurde mit gerade einmal Anfang 20 an die Spitze des Familienunternehmens berufen. Er war der nächste männliche Nachfahre, nachdem sein Vater die Familie verlassen hatte, als Hiroshi noch ein Kind war. Schon mit seiner ersten Bedingung zeigte der junge Mann Machtbewusstsein: Er sollte der einzige Yamauchi in der Firma sein. Sein Cousin musste deshalb gehen. Hiroshi ersetzte schnell auch einen großen Teil der alten Führungsriege.
Zunächst versuchte der neue Chef, das traditionelle Geschäft auszuweiten. In den 50er Jahren fing Nintendo an, mit einer Lizenz von Disney Spielkarten mit Figuren wie Micky Maus und Donald Duck in Japan zu verkaufen. Es war ein Erfolg, der Yamauchi zudem beibrachte, wie wichtig beliebte Figuren werden können. Doch er wollte mehr. Es folgte eine Zeit von zum Teil verlustreichen Experimenten. Das erste neue Produkt, portionierter Reis, den man nur mit heißem Wasser übergießen musste, war ein Reinfall. Danach produzierte Nintendo unter anderem Kinderwagen, betrieb eine Taxi-Firma und ein Stundenhotel.
Erst 1969 fand Yamauchi das Geschäft, das zu Nintendo passte: Spielzeug. Ein Vorteil war, dass die etablierten Vertriebskanäle für die Spielkarten mitbenutzt werden konnten. Die anderen Experimente wurden aufgegeben, stattdessen gab es von Nintendo einfache Gadgets wie einen mechanischen Greifarm oder ein Periskop, mit dem man um die Ecke spähen konnte.
Der erste Schritt zum späteren High-Tech-Spielzeug kam mit günstigen Solarzellen. Nintendos Ingenieure kamen auf die Idee, daraus eine Art Zielscheibe zu basteln, die auf den Lichtstrahl aus dem Lauf einer Spielzeugwaffe reagierte. Anfang der 70er Jahre nutzte der Konzern aufgegebene Bowling-Lokale in Japan, um mit der Technologie virtuelle Schießstände einzurichten. Sie liefen gut, aber die Energiekrise von 1973 würgte die privaten Ausgaben auch in Japan ab und Nintendo blieb auf hohen Investitionen sitzen.
Unter Druck entdeckte Yamauchi die Computerspiele als neue Hoffnung. Neben Spieleautomaten kamen in den 70er Jahren auch Geräte für den heimischen Fernseher auf den Markt, mit einfachsten Spielen wie der Tennis-Imitation „Pong“. Nintendo erwarb zunächst eine Lizenz, um solche Spiele in Japan zu verkaufen, doch Yamauchi wollte mehr. Er setzte seinen Ingenieuren das Ziel, eine Konsole zu entwickeln, die technisch besser war als Geräte der Konkurrenz - aber nur die Hälfte kosten durfte. Das Ergebnis war ein Gerät mit dem Namen „Family Computer System“, das 1983 in Japan und danach als „Nintendo Entertainment System“ auch in anderen Ländern auf den Markt kam. Die günstige Konsole warf nur dünne Profite ab, doch Yamauchi erkannte das große Geschäft dahinter: „Wir werden das Geld mit Spielen verdienen.“
Es war eine Blütezeit für Nintendo: In den 80er Jahren entstanden Figuren wie Super Mario oder Donkey Kong, die bis heute die Verkäufe antreiben. 1989 sorgte Nintendo mit dem GameBoy und dem Spiel „Tetris“ für den Durchbruch des Computerspielens für unterwegs. Und als im vergangenen Jahrzehnt der Stern von Nintendo zu sinken schien, gelang 2006 mit der Wii und ihrer Bewegungs-Steuerung noch einmal ein großer Hit.
Inzwischen krempelt allerdings der Smartphone-Boom auch das Spiele-Geschäft um. Um die Aufmerksamkeit der Nutzer buhlen tausende spottbillige oder ganz kostenlose Handy-Games. Und aktuelle Konkurrenz-Konsolen wie Sonys Playstation 4 oder die Xbox One von Microsoft, die für eingefleischte Gamer attraktiver sind, verkaufen sich deutlich besser als die Wii U. Im vergangenen Quartal gab es auch trotz des Erfolgs des von vielen Fans sehnsüchtig erwarteten Rennspiels „Mario Kart 8“ erneut rote Zahlen.