Grand Theft Auto IV: Als die Pixel atmen lernten

In die Welt von „GTA“ einzutauchen, ist mehr als nur ein Spiel. Die jüngste Version erweist sich im Test als wahres Meisterwerk.

Die Veröffentlichung von "Grand Theft Auto IV" ist für die Spielebranche ein Großereignis, das die US-Medien feiern wie ein Spektakel: CBS, CNN, ABC oder MSNBC berichten in ihren Hauptnachrichtensendungen, ein Kolumnist der "L. A. Times" schwört, dass die Videospielindustrie endlich Kunstform sei und auch die "New York Times" macht "GTA" zum Topthema.

"Gewaltsam, intelligent, gemein, einnehmend, anstößig, listig, reich texturiert: eine fesselnde Kultursatire im Spaßgewand", heißt es dort. Und wohl wahr: "GTA IV" ist das, was man erwartet hat - eine Wundertüte elektronischer Unterhaltung; die Essenz dessen, was ein Videospiel heute sein kann.

Schauplatz ist die Metropole Liberty City, ein Nachbau New Yorks. Hier pulsiert das Leben, und mitten hinein schliddert der serbische Kriegsveteran Niko Bellic. Seine Vorstellung vom American Dream wird bald schon enttäuscht, als ihn sein Cousin Roman in einer schäbigen Bude im Arbeiterviertel Broker (das "GTA"-Äquivalent zu Brooklyn) einquartiert.

Ohne Halt und ohne Plan lässt Niko sich treiben, leistet Roman ein paar Gefallen und merkt kaum, wie er immer mehr ins kriminelle Geflecht von Liberty City verwoben wird: Aus Personentransporten werden zwielichtige Botendienste, aus Fahrzeugüberführungen gewalttätige Autodiebstähle und aus Schutzgelderpressungen berechnete Morde - kurz: "GTA", wie es leibt und lebt.

Was 1997 im schottischen Dundee mit "Grand Theft Auto" (der Begriff bezeichnet die Straftat des Fahrzeugdiebstahls) begann, hat sich konstant fortentwickelt und ist doch seinem Prinzip treu geblieben: "Grand Theft Auto IV" ist die neunte Folge der beliebten Spielserie (inklusive aller Ableger) und der erste Teil für Xbox 360 und PlayStation 3.

Einerseits umstritten wegen seines an Mafiafilme erinnernden Gewaltgrades (das Spiel ist hierzulande ab 18 Jahren frei gegeben), trifft die Mischung aus Action-, Renn- und Ballerspiel buchstäblich ins Schwarze des Spielerherzens: Einmal böse sein, einmal der Karriere eines Kriminellen vom Tellerwäscher zum Millionär nicht bloß zuschauen, sondern sie durchleben.

Doch das frei begehbare Liberty City ist mehr als bloß eine Kulisse, "GTA IV" mehr als ein Schieß- und Rennspiel: In filmisch animierten Zwischensequenzen zeigt Titelheld Niko Gefühle, hat Charakter, Humor und kommt in seiner Entwicklung als Mensch mit moralischem Anstand rüber.

Die vielen Details wie Wetter-, Tag- und Nachtwechsel, der Einsatz der Kommunikationsmittel Handy und Internet, Freund- und Liebschaften sowie unzählige Randszenen machen "GTA IV" zu dem, was es ist: ein atmendes Meisterwerk im Genre der Spiele.

"Grand Theft Auto IV", Rockstar Games, für Xbox 360/PlayStation 3, zwischen 66 und 69 Euro