US-Befürworter von Netzsperren unter Druck
Washington/Berlin (dpa) - Die Gegner einer drastischen Internet-Regulierung in den USA haben ihren Aktionstag mit der Abschaltung zahlreicher Webseiten als Erfolg gefeiert. „Danke, Internet! Der Kampf geht weiter“, erklärte die Electronic Frontier Foundation (EFF), die sich für Grundrechte im Netz einsetzt.
Unter dem Eindruck der Protestbewegung bröckelt die politische Unterstützung für die umstrittenen Gesetzesinitiativen, die im Kampf gegen Raubkopien im Internet drastische Maßnahmen wie Netzsperren vorsehen. Eine Google-Petition gegen die geplanten Gesetze unterzeichneten 4,5 Millionen Menschen, wie Mitarbeiter des Internet-Unternehmens mitteilten. Über ein EFF-Formular wandten sich nach Angaben der Organisation mehr als eine Million US-Bürger an den Kongress. Der Kurzmitteilungsdienst Twitter registrierte am Mittwoch mehr als 2,4 Millionen Äußerungen mit den Schlagwörtern der Protestaktion.
Auch die Betreiber der Wikipedia riefen zu weiterem Kampf gegen die Gesetze auf - jetzt vor schneeweißem Hintergrund, nachdem die englischsprachige Ausgabe der Online-Enzyklopädie ebenso wie zahllose weitere Webseiten einen Tag lang schwarz war. Einen koordinierten Widerstand in dieser Größenordnung hatte es im Internet noch nie gegeben.
Die Kritiker argumentieren, dass die Gesetzesinitiativen - SOPA (Stop Online Piracy Act) im Repräsentantenhaus und PIPA (Protect IP Act) im Senat - die offene Struktur des Internets gefährden. Mit der geplanten Infrastruktur könnten missliebige Inhalte zensiert und Internet-Anwender gegängelt werden, lautet der Vorwurf.
Mehrere US-Senatoren beider Parteien überdenken inzwischen ihre bisherige Unterstützung für die Gesetze. Sechs Republikaner baten den demokratischen Mehrheitsführer in der Kongresskammer, Harry Reid, den Gesetzgebungsprozess zu verlangsamen, um den Entwurf zu überarbeiten, wie die „Washington Post“ am Mittwoch berichtete. „Wir hören immer deutlicher von Wählern und Betroffenen, dass sie sich große Sorgen über unbeabsichtigte Konsequenzen machen“, schrieben die Senatoren.
Der republikanische Senator Marco Rubio, der unter den Initiatoren der PIPA-Gesetzgebung war, zog seine Unterstützung zurück. Der Autor des SOPA-Gesetzes, der republikanische Abgeordnete Lamar Smith, bekräftigte allerdings, dass er sein Vorhaben weiter vorantreiben werde.
Im Laufe des Tages warf auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sein Gewicht in die Waagschale. „Wir dürfen nicht zulassen, dass sich schlecht durchdachte Gesetze der Entwicklung des Internets in den Weg stellen“, schrieb er. Das Online-Netzwerk ist mit seinen 800 Millionen Nutzern ein Schwergewicht der Internet-Branche. Binnen weniger stunden klickten 455 000 Nutzer bei Zuckerbergs Facebook-Eintrag auf die Schaltfläche „Gefällt mir“. Kritisiert wurden die Gesetzesinitiativen zuvor auch von der US-Regierung unter Präsident Barack Obama, der im Repräsentantenhaus aber keine Mehrheit mehr hinter sich hat.