Rechtslage geklärt Weg frei fürs freie WLAN - BGH entlässt Anbieter

Karlsruhe (dpa) - Die Vorstellung macht vielen Internetnutzern Angst: Jemand geht über ihr WLAN unerkannt ins Netz und missbraucht ihren Anschluss als Tarnung für illegale Aktivitäten.

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Besonders hoch ist das Risiko für Inhaber von Hotels, Cafés oder Geschäften, die ihren Kunden und Gästen gern freien Internet-Zugang anbieten möchten. Ein Urteil des Karlsruher Bundesgerichtshofs (BGH) schützt WLAN-Betreiber endgültig vor unkalkulierbaren Kosten. Gerichtliche Auseinandersetzungen drohen aber nach wie vor. (Az. I ZR 64/17)

Worum geht es genau?

Um Leute, die sich aktuelle Musikalben, Filme oder Computerspiele ohne zu bezahlen über verbotene Tauschbörsen aus dem Internet ziehen. Dabei verletzen sie Urheberrechte. Den Täter kann das geschädigte Unternehmen oft nicht ausfindig machen. Über die IP-Adresse lässt sich aber leicht zurückverfolgen, von welchem Anschluss aus die Datei in das Filesharing-Netzwerk hochgeladen wurde. Wenn die Firmen ihre Anwälte losschicken, um Unterlassungs- oder Schadenersatzansprüche geltend zu machen, trifft es daher meist den Anschlussinhaber - auch wenn dieser mit der Sache vielleicht gar nichts zu tun hat.

Wie können sich Menschen mit WLAN schützen?

Jahrelang ging das nur durch ausreichende Sicherung des Anschlusses gegen Missbrauch. Denn es galt die sogenannte Störerhaftung. Ein „Störer“ ist für den BGH, „wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt“. Das kann auch jemand sein, der zu nachlässig mit seinem Internetanschluss umgeht. So hat der BGH schon 2010 entschieden, dass von Privatleuten erwartet werden kann, dass sie die Standardeinstellungen ihres Routers ändern und ein Passwort einrichten. Für die Verbreitung freien WLANs in Deutschland war das Gift. Der Gesetzgeber hat die Störerhaftung 2017 abgeschafft.

Wie ist die aktuelle Rechtslage?

„Der Anbieter soll nicht haften, wenn es in seinem Netz Verstöße gegen das Urheberrecht von Dritten gibt, auch nicht indirekt, zum Beispiel über teure Anwaltskosten“, heißt es dazu auf der Internetseite des Bundeswirtschaftsministeriums. WLAN-Betreiber - egal ob gewerblich oder privat, ob groß oder klein - können nach dem neuen Telemediengesetz nicht mehr auf Schadenersatz oder Unterlassung verklagt werden. Sie müssen ihr Netzwerk nicht mit einem Passwort verschlüsseln und auch nicht registrieren, wer darüber online geht.

Warum ist es wichtig, was der BGH dazu sagt?

Bisher war ungeklärt, ob die Neuregelung mit EU-Recht vereinbar ist. Demnach muss es auch für die geschädigten Firmen einen Weg geben, sich gegen die Verletzung ihrer Urheberrechte zu wehren. Den obersten Zivilrichtern lag jetzt zum ersten Mal ein Fall vor, in dem zu entscheiden war, ob das deutsche Gesetz dem gerecht wird.

Wie haben die Richter geurteilt?

Sie sehen die Rechte der Unternehmen gewahrt. Gibt es keine andere Möglichkeit, dem Missbrauch ein Ende zu setzen, sieht das Gesetz nämlich vor, dass der WLAN-Betreiber die „Nutzung von Informationen“ sperren muss. Das Ministerium informiert darüber, wie sich durch Einstellungen am Router der Zugang zu einzelnen Internetseiten blockieren lässt. Laut BGH müssen Gerichte im Lichte des Unionsrechts aber auch andere Arten von Sperren verhängen dürfen: eine Registrierungspflicht für alle Nutzer, eine Passwort-Sperre und im Extremfall sogar die vollstänge Sperrung des Zugangs.

Was bedeutet das für die Betreiber offener WLANs?

Sie können immer noch gerichtlich belangt werden, allerdings nur, um die Sperren durchzusetzen. Die Kosten dafür müssen sie nicht tragen. Die Sperrung muss laut Gesetz „zumutbar und verhältnismäßig“ sein. Was das heißt, müssen im Einzelfall die Richter klären. Dabei haben sie darauf zu achten, dass die Rechte der Firmen, der WLAN-Betreiber und die der Internetnutzer gleichermaßen gewahrt bleiben. Eine Sperre für den Hotspot eines Privatmanns dürfte also um einiges leichter zu rechtfertigen sein als eine Beschränkung des Flughafen-WLANs. Laut Koch muss sich nicht immer das geistige Eigentum durchsetzen: „Es kann auch das Recht auf offenen Internetzugang sein.“