Wenn der Fernseher klingelt - Videotelefonie per Smart-TV

München/Hannover (dpa/tmn) - Am Rechner sind Videochats mit Partner, Familie oder Freunden mittlerweile Standard. Doch auch viele neue Fernseher eignen sich für Bildgespräche. Die erforderliche Technik samt Webcam steckt in immer mehr Smart-TVs.

Fast jeder dritte Surfer in Deutschland (31 Prozent) nutzt Videotelefonie per Facebook, Google, Skype. Das entspricht 17 Millionen Menschen, wie aus einer Forsa-Studie im Auftrag des IT-Verbandes Bitkom hervorgeht. Per Bild und Ton geplaudert wird meist am Rechner, aber auch über Tablets und Smartphones. Die Zahl derer, die ihr TV für Videotelefonie nutzen, dürfte bislang aber überschaubar sein.

„Voraussetzung für Videochats über den Fernseher ist ein internettauglicher Smart-TV mit der passenden Software und Kamera sowie ein Breitbandinternetanschluss“, erklärt Mathias Gerlach von der Zeitschrift „Chip“. Die Kameras liefern meist mindestens HD-Auflösung und bieten integrierte Mikrofone für den Ton.

„Bei TV-Apparaten, die Videotelefonie unterstützen, kommt Skype als Standard-Software zum Einsatz“, weiß Ulrike Kuhlmann, TV-Expertin bei der „c't“. Gespräche funktionierten meist gut, allerdings mit einer leichten Verzögerung. Die Bedienung sei selbsterklärend, wer bereits ein Skype-Konto besitzt, kann auch am TV auf seine Kontakte nutzen.

Aber es gibt noch Einschränkungen: Anders als am PC sind am Fernseher derzeit keine Videokonferenzen mit mehr als zwei Teilnehmern möglich. „Sollen mehrere Partner eingebunden werden, muss das Gespräch als Audiochat ohne Bild geführt werden“, betont Gerlach. Soll der Fernseher bei Anrufen klingeln können wie beim normalen Telefon für Gespräche ohne Verabredung, muss er außerdem ständig eingeschaltet sein.

Hat der Fernseher keine integrierte Kamera, finden sich meist Nachrüstlösungen ab etwa 100 Euro - entweder vom Hersteller oder von Drittanbietern. Kuhlmann empfiehlt einen Blick ins Handbuch oder Internet, um Fehlkäufe zu vermeiden. Denn anders als beim Rechner funktionieren am Flat-TV nicht alle USB-Webcams.

Auch Fernseher ohne Internetanschluss lassen sich fit für die Videotelefonie machen, etwa über Skype-kompatible Blu-ray-Spieler, an den eine Webcam des Herstellers angeschlossen werden kann, oder über internetfähige Webcams mit integriertem Skype-Dienst. Der Kontakt zum TV wird über ein HDMI-Kabel hergestellt. Beide Lösungen, die für etwa 200 Euro zu haben sind, lassen sich per Fernbedienung steuern und können auf Knopfdruck Anrufe entgegennehmen, auch wenn der Fernseher ausgeschaltet ist, erklärt Mathias Gerlach.

Für flüssige Videochats ist eine minimale Upload-Bandbreite von 0,5 Megabit pro Sekunde (MBit/s) die Untergrenze. Videotelefonate in HD-Qualität setzen einen Upload von mindestens 1 MBit/s. Reicht die Bandbreite einer der beiden Gesprächspartner für die eingestellte Auflösung nicht, wird diese reduziert.

Fast alle neuen Fernseher, die sich per Kabel oder WLAN mit dem Internet verbinden lassen, sind zumindest softwareseitig für Videochats vorbereitet. „Integrierte Kameras hingegen findet man meist erst in Modellen ab der oberen Mittelklasse“, sagt Gerlach. Preislich könne es durchaus lohnender sein, einen günstigen Fernseher der Einstiegsklasse mit einer optionalen Webcam nachzurüsten.

Professionellen Ansprüchen werden Smart-TVs mit Webcam derzeit noch nicht gerecht, sowohl was die Bild- und Tonqualität angeht als auch was die Einbindung mehrerer Gesprächsteilnehmer betrifft. „Aktuell ist Videotelefonie mit dem Fernseher eine praktische Funktion für den privaten Gebrauch“, sagt Gerlach. „Da kein klassischer Computer notwendig ist, eignen sich solche Systeme auch für ältere Menschen, denen PCs oder Notebooks in der Handhabung zu kompliziert sind.“

Doch warum ist Videotelefonie immer noch kein Standard? Lange seien die Hürden technischer und finanzieller Natur gewesen, sagt Prof. Anatol Badach von der Hochschule Fulda. Doch nun könnten günstige Flachbildfernseher dazu beitragen, Videochats auch abseits von Rechnern populär zu machen. Entscheidend für den Durchbruch hält der Informatiker und Experte für Multimediakommunikation über IP-Netze aber die Web-Echtzeitkommunikation direkt im Browser. Dafür entwickeln unter anderem Browserhersteller wie Google, Mozilla und Opera einen offenen Standard namens Web Real-Time Communication (WebRTC).