Wenn Wikipedianer über sich selbst schreiben
Berlin (dpa) - Papier ist für die Wikipedianer eigentlich nicht das Medium der Wahl. Doch zum 10. Geburtstag des Online-Lexikons machen die Wissenssammler eine Ausnahme.
Im Buch „Alles über Wikipedia“, das auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert wurde, werfen Aktivisten aus Deutschland einen Blick ins Innenleben des Projektes. Der Titel deutet es an: Es ist ein Sammelsurium von Texten - Blick zurück und Blick nach vorn, Anleitung für Neulinge und Selbstvergewisserung für Aktive.
Die Kapitel sind ein Spiegel des Lexikons. Manchmal kurz, manchmal lang, meist sehr nüchtern aufgeschrieben. Der Verlag preist das Buch als „unterhaltsam und kurzweilig“ an. Manche Beiträge sind aber eher zäh zu lesen.
Die knapp 100 Autoren versuchen in ihren Beiträgen, das Rätsel der Kooperation zu erklären: Wie kam es zu der vermessen erscheinenden Idee, eine Gemeinschaft anonymer Nutzer ein Lexikon schreiben zu lassen? Was ist die Motivation der Autoren, die weder Geld bekommen noch namentlich bekannt werden? Dazu gibt es Anleitungen: Wie legt man einen Artikel an? Wo finden Neulinge Hilfe? Und wie entsteht ein guter Text?
Bei aller Begeisterung sparen die Autoren nicht mit Kritik an ihrem Hobby-Projekt. Sie beschreiben den oft rauen Umgangston und die Qualen der „Löschhölle“, in die mancher Artikel verbannt wird, weil irgendein Administrator ihn für irrelevant hält.
Überhaupt, die Relevanz: Wie in der Wikipedia wird auch im Buch der „enzyklopädische Bruderkrieg“ ausgetragen. Dabei streiten Inklusionisten und Exklusionisten, ob im Online-Lexikon Platz für jedes Thema ist, so lange es gute Quellen dafür gibt; oder ob nur Wichtiges enzyklopädischen Wert hat.
Knapp 100 Autoren haben etwas zum Buch beigesteuert. Das sorgt für eine Ausgewogenheit, die man von vielen Artikeln im Online-Lexikon kennt. Allerdings ist nicht jeder Wikipedianer ein Schönschreiber - manche Passagen lesen sich zäh. Viele Texte sind eher Anekdoten als hintergründige Artikel. Und es hat sich manche inhaltliche Dopplung eingeschlichen, vor allem in den Erfahrungsberichten der Nutzer.
Wenn Wikipedianer über Wikipedia schreiben, fehlt zudem der Blick von außen. Wer sich gar nicht mit dem Online-Lexikon auskennt, dürfte manchmal Verständnisprobleme bekommen. Und einige brennende Probleme - etwa die schwierige Suche nach freiwilligen Autoren - kommen nur beiläufig zur Sprache.
Trotzdem kann sich die Lektüre lohnen: Für Wikipedia-Leser, weil sie viel darüber erfahren, wie die Artikel entstehen. Für aktive Wikipedianer, weil sie Stand der wissenschaftlichen Diskussion über ihr Projekt nachlesen können. Und für Möchtegern-Autoren, weil sie lernen, wie die Community tickt. Vielleicht bleibt ihren Artikeln ja die „Löschhölle“ erspart.
Die Wikipedianer bleiben sich auch beim Copyright treu: Der Text steht unter freier Creative-Commons-Lizenz. Wer will, darf ihn - bei Nennung der Quelle - kopieren und bearbeiten. Nicht nur auf Papier.