Youtube & Co. erklären Jugendlichen Politik
Berlin (dpa) - In Deutschland ist Florian Mundt alias LeFloid längst ein Star der Youtube-Szene: Über 2,7 Millionen Zuschauer haben den Kanal des Webvideoproduzenten abonniert, regelmäßig und frei Schnauze kommentiert er dort das aktuelle Weltgeschehen.
Seine jungen Fans hat der 27-Jährige nun zu sich ins Youtube-Space nach Berlin geholt. Gerangel um Autogramme, Selfies und viel Applaus? Fehlanzeige. Wer kam, wollte diskutieren - und zwar über Flüchtlinge, Alltagsrassismus oder „Ehe für Alle“. Denn gerade bei politischen Themen spielt das Internet für junge Menschen eine große Rolle, um sich auszutauschen.
Vor gut einer Woche rief LeFloid seine Fans quer durch die sozialen Netzwerke auf, sich mit ihren Fragen für das Gespräch zu bewerben. Gewollt hätten viele, sagt Youtube - in die Talkrunde geschafft haben es nur 35 Bewerber, alle im Alter bis Mitte 20. Mit an Board holte er Blogger und Autor Sascha Lobo sowie Alfonso Pantisano, Mitleiter der Menschenrechtsinitiative „Enough is Enough! Open your Mouth“.
„Mir ist der Termin wichtig, weil wir in der Schule nicht so viel diskutieren über diese Themen“, sagt die Abiturientin Thanh Thuy. Sich in einer größeren Gruppe auszutauschen, findet die 18-Jährige spannend - „Aber nicht nur mit Freunden oder Bekannten, sondern mit allen möglichen.“
Yasmin Herbst ist überzeugt: „Ich habe erst kürzlich angefangen, politisches Interesse zu entwickeln. Wenn man LeFloids Videos schaut, fängt man an, sich selber eine Meinung zu bilden.“ Youtube sei eine der besten Formen, Jugendliche zu erreichen, und Lefloid habe die nötige Reichweite, ergänzt ihr Freund Marcel. Andere Medien würden das kaum schaffen.
Welche Tragweite eine Plattform wie Youtube hat, weiß der Gastgeber selbst am besten: Mehr als eine Milliarde Menschen erreicht sie nach Angaben der Betreiber weltweit - die Anzahl der Stunden, die Nutzer jeden Monat dort verbringen, steigt jährlich um 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wiederum 15 Prozent davon sind der Plattform zufolge unter 18 Jahre alt.
Gerade das Internet sei deshalb ein Medium, das genau die Generation erreiche, die mit Fernsehen & Co. nicht mehr so viel anfangen kann, sagt LeFloid. „Es ist wichtig, dass man jüngere Leute abholt, sich noch mal intensiver mit verschiedenen Themen zu befassen, als immer nur das zu hören, was in den Nachrichten kommt oder was die Eltern zu Hause rumposaunen.“
Als Leitfigur oder Meinungsmacher sieht Mundt sich aber nicht - im Vordergrund stehe mehr die Diskussion, die das Video auslöst: „Ich konfrontiere Leute mit etwas, und dann möchte ich, dass sie sich mit dem Gesagten auseinandersetzen.“
Dass seine Rechnung aufgeht, zeigt der Blick ins Netz: Allein das Video „Respektloser Scheiß - oder wichtige Bilder? [#LeNEWS]“ (7. September) wurde in weniger als einer Woche über 8000 Mal kommentiert. Nicht selten passiert es dann, dass das ein oder andere Argument Mundt selbst zum Nachdenken bringt - „oder eben Leute mit einer ganz anderen Vorstellung reingehen und zwölf Kommentare später sagen: So hab ich das auch noch nicht gesehen“.
Das gefällt auch seinen Anhänger: „Es ist wichtig, die Meinung von anderen Fans zu hören“, sagt die 17-Jährige Vanessa. Entscheidend sei dabei, eine offene Diskussion zu führen, „die von nichts geprägt ist“, ergänzt der Schüler Jonathan. Gerade in öffentlich-rechtlichen Medien habe er oft das Gefühl, dass mit großer Vorsicht kommentiert werde.
Youtube selbst will besonders in puncto Meinungsfreiheit der richtige Ort für einen ungezwungenen Austausch sein: „Freedom of Speech“ sei das Leitmotiv der Plattform, sagt Mounira Latrache, Leiterin des Youtube-Space in Berlin. „Wir sagen: Alle Meinungen sind erlaubt, solange sie nicht ausgrenzend sind.“
In Zeiten von rechtsextremen Ausschreitungen wie im sächsischen Heidenau oder hetzenden Kommentaren zum Thema Flüchtlinge ist gerade die freie Meinung aber zum heiklen Thema geworden. Youtube zieht in solchen Fällen die Notbremse: Wer mobbt oder gewaltverherrlichende Inhalte hochlädt, fliegt in Deutschland aus der Youtube-Gemeinde raus - vorausgesetzt, er wird von anderen Nutzern gemeldet.
Doch nicht nur die Inhalte selbst sind teils gefährlich. „Leute kommen mit Meinungen in Berührung, die vorher nicht ernst genommen wurden und dadurch einen riesen Auftrieb haben“, warnt Pantisano. Und was für Erwachsene gilt, zählt erst recht für Jugendliche.