Sommer Ein schöner Tag im Krefelder Forstwald
Auf einer der größten Waldflächen der Seidenstadt finden sich Spuren der Geschichte. Für Spaß sorgt am Rande des Waldes das Carrera-Rennbahncenter.
Entspannende Ruhe und aufregendes Tempo – diese beiden Gegensätze liegen im Krefelder Forstwald ganz dicht beieinander. Für das Tempo sorgt Deutschlands größter Carrera-Shop, für die Ruhe der Forstwald selbst, in dem man auf historischen Boden spazieren gehen und Spuren der Geschichte entdecken kann.
Die große Waldfläche im Krefelder Südwesten ist kein natürlich gewachsener Forst, sondern wurde im 19. Jahrhundert künstlich angelegt. Das zeigen deutlich die sternenförmigen Wege, die im Zentrum auf das Forsthaus stoßen. Der Bau von 1838, über dessen Fenstern Hirschgeweihe hängen, steht unter Denkmalschutz und wird als Gaststätte genutzt. Gleich daneben befindet sich auch ein großer Wander-Parkplatz. Von dort aus kann man auf einem Rundweg den Forstwald erkunden – oder kreuz und quer hindurch marschieren.
Eine weitere Möglichkeit, in den Forstwald zu kommen, bietet die Bahn. Denn an der Strecke Krefeld-Mönchengladbach liegt auch der Bahnhof Forsthaus, an dem regelmäßig Regionalzüge halten. Von dort aus sind es nur wenige Schritte bis zum Wegenetz durch den Wald.
Der Krefelder Kaufmann Gerhard Schumacher, ein Mennonit, hatte diesen auf einer unfruchtbaren Heidefläche anlegen lassen. 1822 hatte er das 500 Morgen große Areal ersteigert, den Auftrag zur Aufforstung mit Kiefern – sie wurden später durch einen Laubmischwald ersetzt – vergab er an den Landschaftsarchitekten Maximilian Friedrich Weyhe. Zum Tragen kamen dabei die strengen Prinzipien der französischen Ingenieurskunst in der Landschaftsarchitektur.
Schumacher wohnte wenige Kilometer entfernt auf dem Gutshof Groß-Lind, der heute zur Stadt Tönisvorst gehört. Von dort führte früher eine schnurgerade Eichenallee zum Forsthaus, das Schumacher als Jagdhaus und Sommerresidenz bauen ließ. Reste dieser Allee sind bis heute erhalten geblieben. Es wird vermutet, dass es zu Schumachers Zeiten im Wald Parforcejagden mit reitenden Jägern und einer Hundemeute gab.
Beim Spaziergang (gerne auch mit Hund) kommt man gleich hinter dem Forsthaus an einem Wildgehege vorbei. Es kann jederzeit kostenlos besichtigt werden. Damwild hat die Stadt Krefeld dort angesiedelt. Vor allem kleine Kinder gehen gerne auf Tuchfühlung mit den Tieren. Aber Achtung: Das Füttern des Wildes ist nicht erlaubt.
Der weitere Weg durch den Wald kann zu einer Entdeckungsreise ausgebaut werden. Denn im Boden finden sich viele historische Spuren. So ist vor allem zwischen den heutigen Straßen Stockweg und Hückelsmaystraße noch die kurkölnische Landwehr zu erkennen, die 1350 als befestigte Grenze zwischen den Territorien der Ämter Kempen (gehörte zu Köln) und Linn (gehörte zu Kleve) angelegt wurde. Das als Bodendenkmal eingetragene Teilstück ist etwa 1,5 Kilometer lang und 25 Meter breit. Mehrere Wälle und zwei Durchgänge blieben erhalten. Einer davon liegt unweit der Hückelsmaystraße im Osten des Areals, ein weiterer am Stockweg im Westen. In diesen Bereichen finden sich auch Spuren früher Besiedlung, darunter alte Bauernhöfe und Heiligenhäuschen.
An der Ecke Hückelsmay-/Gladbacher Straße im östlichen Zipfel des Areals steht ein Denkmal, das an eine kriegerische Auseinandersetzung erinnert: die Schlacht an der Hückelsmay. Am 23. Juni 1758 standen sich hier im Siebenjährigen Krieg Franzosen und Preußen gegenüber. Auf der einen Seite 32 000 Mann unter dem Kommando des Prinzen Ferdinand von Braunschweig, auf der anderen Seite das französisches Heer unter der Führung des Grafen von Clermont mit 47 000 Mann. Trotz großer Übermacht erlitten die Franzosen eine vernichtende Niederlage. Es gab fast 3000 Gefallenen sowie 2700 Verletzte und Gefangene. An gleicher Stelle an der Landwehr hatte es auch schon im Januar 1642 im Dreißigjährigen Krieg eine Schlacht gegeben. Damals siegten französisch-hessische Truppen gegen ein kaiserliches Heer.
Ob der tiefe Graben rechts vom Weg wohl ein Schanz-Rest der Franzosen und damit ein Bodendenkmal ist? Und was hat es wenig später mit der merkwürdigen Aneinanderreihung von flachen Wällen im Boden auf sich? Der Spaziergänger hat viel Zeit, über solche Fragen nachzudenken. Denn es ist meist still um ihn herum. Nur aus der Ferne ist das Rauschen der Autobahn 44 zu hören, ansonsten zirpen und zwitschern Insekten und Vögel oder ein Eichhörnchen flitzt über den Weg.
Wer nach so viel Ruhe zum Abschluss etwas Action braucht, der sollte am Hückelsmay-Denkmal die Gladbacher Straße (B57) überqueren. Auf der anderen Straßenseite stößt er auf einen Gutshof, der zwischen 1830 und 1855 erbaut wurde. Heute befindet sich darin der Gasthof Hückels May. Hinter dem Gebäude werden auf einer Freifläche alte Geflügelrassen gezüchtet – und in der angrenzenden Scheune gibt es im Rennbahnshop „Deutschlands größte Carrera-Auswahl“.
Hausherr Till Reese ist selbst seit seiner Kindheit ein Fan der flotten Flitzer. Den Grundstock zu seinem heutigen Shop bildeten 18 Grundpackungen mit Bahnen, die er vor Jahren zum Preis von 75 Mark erwarb. Auf einer Gesamtfläche von fast 500 Quadratmetern präsentiert er seit 2008 die ganze Welt des Carrera-Universums – von den analogen Anfängen bis zur modernen Digitalwelt.
Der Shop ist 160 Quadratmeter groß, hier findet sich alles von Carrera vom Gründungsjahr des Fürther Unternehmens (1963) bis heute. Im 120 Quadratmeter großen Renncenter nebenan ist eine 18 Meter lange, vierspurige Bahn aufgebaut, auf der man für drei Euro 50 Runden drehen kann. „6,3 Sekunden für eine Runde ist der augenblickliche Rekord“, verrät Reese. Die Bahn kann auch für Firmen- und Privatfeiern gebucht werden.
Eine Etage darüber befindet sich das 200 Quadratmeter große Carrera-Museum (Eintritt: 3,50 Euro, Kinder unter zwölf Jahren zwei Euro). Hier finden sich mehr als 3000 Exponate, darunter alte Bahnen wie Carrera Transpo (1970 bis 1984 gebaut) mit eigenständigem Lkw-Fahrprogramm oder Carrera Jet von 1969, mit der man eine Apollo-Mondrakete landen konnte. In einem Nachbarraum hat Reese die Bausätze anderer Unternehmen gesammelt, darunter solche der DDR-Firma VEB Pressformbau, kurz Prefo. Schade: Nur am 1. Advent ist bei der jährlichen Rennbahnbörse die 126 Meter lange Universal-Bahn geöffnet, die Till Reese in einem anderen Teil des Gebäudes aufgebaut hat.
Der Weg zurück zum Parkplatz oder weiter zum Bahnhof führt wieder quer durch den Forstwald.