Grenzen überwinden und Begegnung wagen

Ein Samstag im Mai: In unserem Gemeindehaus findet ein Frauenfrühstück statt. Die 47 Frauen, die sich eingefunden haben, spiegeln unsere Gesellschaft wider. Die jüngste ist 17, die älteste 77 Jahre alt.

 Dorothee van den Borre, Gemeinde Heckinghausen und Initiative KOMM

Dorothee van den Borre, Gemeinde Heckinghausen und Initiative KOMM

Foto: Evangelische Kirchengemeinde Wuppertal

Deutsche, iranische, syrische und afrikanische Frauen bedienen sich am Buffet, mit Speisen aus eben diesen Ländern. Das Thema heißt „Verliebt–verlobt–verheiratet“.

Im Interview erzählt eine 70-jährige Rentnerin von ihrer Ehe über 50 Jahre und dem Geheimnis einer lebenslangen Liebe. Anschließend berichtet eine 45-jährige Syrerin, dass sie bereits 30 Jahre verheiratet ist. Beide betonen: das Geheimnis einer erfolg­reichen Beziehung ist, miteinander zu reden und über die Fehler des Mannes hinweg­schauen zu können. Dabei lachen sie sich wissend an. Anschließend werden Hochzeits­bilder rumgereicht. Welche Frau versteckt sich hinter der glücklich lächelnden Braut.

Raten und Gelächter, viele Erinnerungen werden wach, z. B. an eine Hochzeit mit 500 Gästen in einer Stadt, die nun in Trümmern liegt. Über Rituale wie Polterabend oder einen Hochzeitsgürtel aus Gold wird berichtet, gestaunt und gelacht.

Zum Abschluss erzählt die Pastorin der Gemeinde, warum sie Gottes Segen für eine Beziehung wichtig findet und wie unsere Gemeinde Hochzeitsgottesdienste gestaltet. Die Frauen finden kein Ende. Um 15 Uhr hat sich noch keiner auf den Heimweg gemacht. Voller Erstaunen sehe ich, wie eine Seniorin der Gemeinde einigen muslimischen Frauen unseren Gottesdienstraum zeigt und vieles erklärt. Beim Abschied drückt mir eine syrische Frau die Hand und sagt, dass sie seit zwei Jahren in Deutschland ist, sich aber noch nie so wohl und willkommen gefühlt hat, wie an diesem Tag in unserer Kirche. Und ich erlebe – nicht zum ersten Mal - das das für mich Kirche ist. Offene Türen, Menschen, die sich begegnen, Grenzen die überwunden werden.

In diesem Rahmen können wir von unserer frohen Botschaft erzählen, aber auch zu­hören und Wege mitgehen. Dabei weiß ich durchaus, dass Kirche als Raum der Begeg­nung und Annahme nicht nur leicht ist. Manchmal treffen Menschen aufeinander, die sich in ihrer Unterschiedlichkeit eben nicht stehen lassen können. Es gibt die Besserwisser, die Empfindlichen und die Enttäuschten. Kirche der offeneren Türen und Begegnung ist immer auch eine Herausforderung. Aber sie steht unter der Zusage Jesu „Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen“. Darum sind wir in dieser Herausforderung nicht alleine.

In meiner Arbeit mit Geflüchteten, genauso wie mit Kirchenfremden des Stadtteils, erlebe ich dabei immer wieder, dass wir sagen können und sollen, welche Hoffnung uns trägt und woher wir als Christen und Christinnen unsere Motivation zum Handeln nehmen. Gerade in der Formulierung des eigenen Glaubens, in Gesprächen mit Mus­li­men erkenne ich, was mir wichtig ist. Sich den Fragen stellen, heißt eben auch über eigene Überzeugungen nachzudenken. In diesem Sinne wünsche ich mir für unsere Kirche und alle Kirchen in Wuppertal offene Türen und Herzen. Wenn wir diesen Auf­trag für uns erkennen, können wir Vorbilder für eine offene Gesellschaft sein. Denn die brauchen wir in einer Zeit, in der immer stärker das Schließen von Grenzen verlangt wird und christliche Werte verloren gehen.